Bombenalarm in Hahnenfurth
Die Entschärfung im Baugebiet für die neue S-Bahnlinie 28 gelang schnell und reibungslos. 22 Wohnungen wurden geräumt.
Hahnenfurth. „Die hätte ein Haus komplett zerstört.“ Jost Leisten vom Kampfmittelräumdienst blickt abschätzend auf den verdreckten Koloss, der jetzt festgezurrt im Transporter liegt. Die Fünf-Zentner-Bombe der Engländer traf aber kein Haus, explodierte auch nicht. Tatsächlich war auch der Zünder noch gesichert. „Vielleicht war das ein Notabwurf oder der Flieger flog zu tief“, vermutet Leisten. Er und sein Kollege Uwe Palmroth hatten daher am Mittwoch einen vergleichsweise einfachen Einsatz in dem Baugebiet für die neue Trasse der Regiobahn S 28 bei Hahnenfurth.
Dort hat am Morgen ein Baggerführer den Stahlbrocken an seiner typischen Form als Bombe erkannt und sofort die Experten hinzugezogen. Es folgt das dann erforderliche Vorgehen der Stadt: Einen engeren Kreis von 250 Metern rund um die Fundstelle müssen alle Menschen verlassen, in einem Umkreis von 500 Metern müssen sie in geschlossenen Räumen bleiben.
Sechs Mitarbeiter des Ordnungsamtes ziehen los, um an den 22 Wohnungen mit 30 Bewohnern zu klingeln, die evakuiert werden mussten, im größeren Kreis sind 250 Anwohner sowie die rund 100 Mitarbeiter der Kalkwerke betroffen. Die Polizei sichert die Zufahrtsstraßen, darunter die Düsseldorfer Straße — die wegen Bauarbeiten ohnehin zu einem großen Teil gesperrt ist, die Straße Hahnenfurth, den Hahnenfurther Weg, den Schöllerweg und auf Mettmanner Gebiet die Straße Obmettmann.
An und in der Sporthalle Schöller können Bewohner die Wartezeit überbrücken, dafür haben Feuerwehr und Johanniter Kaffee, Tee, Getränke und sogar Kuchen bereit gestellt. Doch der Andrang ist nicht groß, nur eine Handvoll Menschen findet sich ein. Ein älteres Ehepaar vertritt sich draußen die Füße. „Was soll man machen“, zuckte der Mann die Achseln. „Uns bleibt ja nichts anderes übrig.“ Die Frau erzählt, dass sie gerade die Wäsche hereinholen wollte. „Aber man hat mich nicht gelassen.“
Etwas Leben kommt auf, als Eva Maria Hobusch mit ihren fünf Tageskindern den Hof der Turnhalle erreicht. „Die haben gerade geschlafen, sind noch völlig verdreht“, erklärt die Tagesmutter. Während sich einige der Kinder neugierig umsehen, nuckeln andere verträumt am Daumen. In der Halle dürfen sie Ball spielen, da werden sie munterer.
Um 14.10 Uhr erhält Carsten Vorsich vom Ordnungsdienst von seinen Kollegen die Durchsage, dass die Evakuierung beendet ist. Er kann den Kampfmittelexperten das Okay für den Start ihrer Arbeit durchfunken. Die brauchen nicht lange. Schon gegen 14.30 Uhr melden sie, dass die Bombe entschärft ist. „Da war ja die Bombe schneller entschärft, als der Kuchen aufgetaut ist“, seufzt ein Johanniter und verteilt die noch halbgefrorenen Sahne-Fruchtschnitten.
Die Bewohner dürfen zurück in ihre Wohnungen, die Polizei hebt die Straßensperrungen auf, die Kalkwerker dürfen wieder aufs Gelände. Und die Kinder zurück in ihre gewohnte Spielumgebung. „Das war eher ein kleiner Einsatz“, zieht Carsten Vorsich Bilanz.
Für die Kampfmittelexperten war der Fund eine Standard-Bombe. Anhand der Aufhängung erkannten sie, dass es eine englische Bombe war, eine Gravierung am Zünder nennt als Herstellungsjahr 1943. Den mechanischen Zünder haben sie herausgeschraubt, damit ist die direkte Gefahr gebannt. Trotzdem steckt die Bombe noch voller Sprengstoff. Sie kommt zunächst in ein Zwischenlager, dann in einen Spezialbetrieb in Hünxe, wo sie zerlegt, der Sprengstoff mit Wasser herausgespült, später verbrannt wird. „Alles umweltgerecht“, sagt Uwe Palmroth. Und der Stahl werde recycelt.