Kritik aus Wuppertal Streikforderungen – unangemessen oder berechtigt?

Wuppertal · Das sagen Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer und Verdi.

Henner Pasch

Foto: IHK / Sinowenka Photographie / Leon Sinowenka

Arnd Krüger, Vorstandsspitze der Kreishandwerkerschaft Solingen-Wuppertal, blickt mit großer Bestürzung auf den Ablauf der Tarifverhandlungen. Die Forderungen nach mehr Lohn und mehr Urlaubstagen betrachtet er als „überzogen“, oder gar schon „unverschämt“. Besonders irritiert ist er durch die Vorgehensweise der Gewerkschaft: „Allein, wenn ich die überlaufenden Mülleimer und Mülltonnen sehe, fühle ich mich schlicht erpresst.“

Henner Pasch, Präsident der Bergischen Industrie- und Handelskammer, berichtet vor allem davon, dass in den Unternehmen kritisch auf die Streiks geblickt wird: „Viele Beschäftigte reagieren mit einem relativ großen Unverständnis“, sagt er. Und verweist darauf, dass aktuell viele Unternehmen mit Personalabbau auf die wirtschaftliche Krise reagieren. Vor diesem Hintergrund „erscheint die Forderung der Gewerkschaft in einer solchen Phase unangemessen“, sagt er.

Mehr Verständnis gäbe es wahrscheinlich, so Pasch, wenn es nur um einen Inflationsausgleich ginge. Aus seiner Sicht verdienen viele Beschäftigte im Öffentlichen Dienst bereits mehr als viele Beschäftigte in der Wirtschaft. Bei diesen stießen die Forderungen deshalb auf Unverständnis, vor allem, wenn sie von den Streiks betroffen sind, etwa den Nahverkehr nicht nutzen können, keine Betreuung für ihre Kinder haben, die Kinder nicht zur Schule können. Wegen der Vielzahl der bestreikten Einrichtungen erinnerten die aktuellen Aktionen schon fast an einen Generalstreik. Pasch fürchtet, dass die Stimmung in der Bevölkerung auch kippen könnte.

Arnd Krüger

Foto: Andreas Fischer

Als Argument führt er auch an: „Wenn die Forderungen durchgesetzt werden, muss das die Allgemeinheit zahlen.“ Alles Geld, das die öffentliche Hand ausgebe, „muss die Wirtschaft erwirtschaften“.

Da die Kommunen aktuell ohnehin knapp bei Kasse seien, unter anderem den drei bergischen Städten ein Haushaltssicherungskonzept drohe, sehe er nicht, wie die Forderungen bezahlt werden können. Er vermutet, dass es deshalb bisher auch noch kein Angebot der Arbeitgeber gibt: „Man kann wahrscheinlich keine Antwort geben, die zufriedenstellt.“ Er wünscht sich, dass nun neu überlegt wird.

„Es ist genug Geld da – es muss nur anders verteilt werden“

Bei der Gewerkschaft Verdi heißt es dazu: „Das hören wir alle Jahre wieder.“ Stephanie Peifer, Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Düssel-Rhein-Wupper, widerspricht dem Geld-Argument: „Es ist genug Geld da, es muss nur anders verteilt werden.“ Unter anderem dürfe der Bund nicht immer wieder Aufgaben an die Städte und Gemeinden delegieren, diese aber nicht mit den finanziellen Mitteln dafür ausstatten – etwa bei der Unterbringung von Geflüchteten. „Die Oberbürgermeister und Bürgermeister sind aufgerufen, sich Richtung Berlin zu wenden.“

Stephanie Peifer

Foto: Verdi

Bürgerinnen und Bürger hätten einen Anspruch auf einen funktionierenden Öffentlichen Dienst, daher sei es wichtig, Beschäftigte zu halten, Nachwuchs zu gewinnen und dafür die Arbeitsbedingungen zu verbessern – dazu zähle auch eine bessere Bezahlung. Denn auch der Öffentliche Dienst sei vom demografischen Wandel und Fachkräftemangel betroffen.

Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht darauf, dass der Müll eingesammelt, das Grün gepflegt und Kinder betreut werden, sie den Führerschein in angemessener Zeit erhalten. Ohne diese Leistungen würden die Menschen unzufrieden, wachse der Unmut über den Staat, das könne den sozialen Frieden gefährden.

Sie widerspricht auch dem Argument, im öffentlichen Dienst werde bereits gut verdient: „Gerade im IT-Bereich, aber auch in anderen Bereichen wird in der Wirtschaft viel besser verdient.“

Und im Hinblick auf die Wirtschaft, die erst Geld verdienen müsse, sagt sie: „Die Wirtschaft kann nur florieren, wenn der Öffentliche Dienst funktioniert. Es ist ein Standortvorteil, wenn Straßen ausgebaut sind, wenn die Energieversorgung klappt.“

Sie macht den Arbeitgebern Vorwürfe: „Seit Oktober liegen unsere Forderungen auf dem Tisch, bis jetzt gibt es kein Angebot. Das ist verantwortungslos.“ Die Streiks seien ein Druckmittel, „sonst wären wir im Bettlerstatus“: „Wir wollen ein Angebot und einen Abschluss.“