Tierliebe Taubenpflege in Wuppertal ist ein Vollzeitjob (mit Video)

Wuppertal · Der Verein Fliegende Schönheiten kümmert sich um kranke und verletzte Vögel dieser Gattung.

Anke Anberger (links) hält Bibo in der Hand, Britta Gerlach hält Emmi.

Foto: Ja/ANNA SCHWARTZ

. Es flattert und gurrt. Mehr als 170 Tauben haben die ehrenamtlichen Helferinnen des Vereins Fliegende Schönheiten allein in diesem Jahr schon in der Kranken- und Pflegestation an der Uellendahler Straße gerettet. Auf zwei Etagen päppeln sie kranke und verletzte Tiere wieder auf, geben ihnen Nahrung und Medikamente – 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Ein Vollzeitjob.

Anke Amberger, stellvertretende Vorsitzende des Vereins, hat deshalb schon beruflich auf eine Halbzeitstelle umgeschwenkt. „Die Tauben werden zweimal am Tag gesäubert, zweimal am Tag gefüttert. Ich bin morgens um vier Uhr schon hier, fahre um halb acht zur Arbeit und nach der Arbeit bin ich auch wieder hier“, erzählt sie. Auch nachts um vier Uhr klingelt ab und an noch das Notfalltelefon.

In der oberen Etage befindet sich die Vogelvoliere. Dort herrschen reges Treiben und aufgeregtes Geflatter. „Die Voliere haben wir durch eine Tür zweigeteilt. So können wir die Tiere beispielsweise für Impfaktionen trennen. Oder dann, wenn manche Tauben erste Flugübungen machen“, erklärt Britta Gerlach, ebenfalls stellvertretende Vorsitzende. In der Voliere befinden sich Tiere, die entweder gehandicapt sind oder die bald wieder ausgewildert werden sollen – genau dort, wo sie gefunden wurden. Für die gehandicapten Tauben suchen die Helferinnen eine Bleibe, in der sie dauerhaft bleiben können.

Tauben sind
domestizierte Haustiere

„Die Handicap-Tauben kommen dahin, wo sie nicht ein Leben in der Stadt haben, zum Beispiel in ländlichen Bereichen oder dort, wo sie zu Hause als Haustier in einer Zimmervoliere gehalten werden können“, erklärt Gerlach. Die Taube sei ein domestiziertes Haustier, das allererste Tier, das der Mensch überhaupt zum Haustier gemacht habe, noch vor Hunden, Katzen, Meerschweinchen und Kaninchen. „Die Taube war früher der klassische Eier- und Fleischlieferant. Sie haben eine kurze Brutzeit, wachsen sehr schnell heran.“ Dieser Brutzwang sei angezüchtet. „Er ist für das große Problem der Stadttaubenpopulation verantwortlich“, erklärt Britta Gerlach.

Dann klopft es plötzlich an der Tür. Ein Mann streckt den Kopf herein, in den Händen hält er einen Schuhkarton mit Löchern. Die Taube saß den ganzen Tag an der Wittensteinstraße am Loh, erklärt er. Wie sie heißen soll, wollen die Helferinnen in der Taubenstation wissen. „Wie heißen Sie denn?“, fragt Britta Gerlach. „Efkan“, lautet die Antwort.

Britta Gerlach und Anke Amberger öffnen vorsichtig den Karton. „Das ist noch ein kleines Jungtier“, sagt Gerlach. Sie sprühen als erstes eine Art Flohspray unter die Flügel. „Viele Tauben haben Federlinge“, erklärt Amberger. Kleine Parasiten, wie der Floh beim Hund. Kleine gelbe Fusseln hängen noch im Gefieder – vom Kükensein, wissen die beiden Expertinnen. Der Schnabel ist noch rosa, auch ein Zeichen für das junge Alter. Auf rund drei bis vier Wochen schätzen sie das Alter. Efkan kommt direkt in eine Box. „Ich schaue jetzt erst mal, ob er selber frisst und wie der Kot aussieht. Meistens kann ich dann am nächsten Tag schon mehr darüber sagen, ob er krank ist. Ich werde ihm gleich Brei geben, das wird ihm aber nicht passen, weil er das nicht kennt. Da sind Vitamine und Elektrolyte drin“, sagt Anke Amberger. „Das A und O bei Tauben ist erst mal das Beobachten“, sagt Britta Gerlach. Efkan dürfte ein klassischer Plumpser sein, ein Jungtier, das aus dem Nest gefallen ist, vermuten sie. „Der wird seine ersten Flugübungen gemacht haben“, so Britta Gerlach.

Efkan ist Nummer 173 auf der Taubenstation. Wie viele Tiere gerade in der Station behandelt werden, ändert sich täglich. Denn kaum ein Tag vergeht, an dem nicht eine oder gar mehrere Tauben vorbeigebracht werden – je nachdem, wie aufmerksam die Menschen sind, sagt Britta Gerlach. Im Schnitt sind rund 150 Tauben vor Ort.

Die Verletzungen der Tiere sind vielfältig. Neben der Versorgung von Verletzungen kümmern sich die Helferinnen auch um Einschnürungen an den Füßen der Tiere. „Die Tauben gehen bei der Futtersuche oft kilometerweit durch die Stadt. Fäden und Haare wickeln sich um die Füße und schnüren sie ab“, sagt Britta Gerlach. Die Tiere humpeln.

Eine der Tauben hat
ein Stofftier als Partner

Ein weiteres Problem gibt es: Die Taube ist ein klassischer Körnerfresser. „Versuchen Sie mal, in der Stadt 40 Gramm Körner zu finden. Wer das schafft, Hut ab. Die Tauben schaffen das nicht. Deswegen bedienen sie sich an allem, was auf dem Boden liegt“, sagt sie. Doch da fehlen die Nährstoffe, die Tiere werden krank. Der Kot, der die Straßen verschmutzt, ist eigentlich Durchfall. Das Team der Fliegenden Schönheiten wünscht sich deshalb ein Konzept, wie es das schon in anderen Städten gibt: Dass es gezielte Zeiträume zur kontrollierten Fütterung gibt. Anschließend wird das Futter entfernt, um nicht die Ratten anzulocken. So könnte sichergestellt werden, dass die Tauben gesund bleiben.

Tauben sind standorttreu. Deswegen fragen die Helferinnen auch ganz genau nach, wo ein Tier gefunden wurde – außer bei Küken, die noch nicht den Sinn dafür entwickelt haben. „Im Zweifel ist dort der Partner, sind dort die Küken“, sagt Gerlach. „Deswegen muss man das Taubenhaus auch zu den Tauben bringen und nicht die Tauben zum Taubenhaus.“ Nina Kopp kritisiert zudem den Einsatz eines Falkners – der die Stadt rund 12 000 Euro im Jahr kostet. „Der Falke soll die Tauben vergrämen. Der Drang zurückzukommen, ist aber unglaublich hoch. Oft brüten die Tauben oder müssen Küken versorgen, das machen sie trotz Falken.“

Der Falke kann die Tauben verletzen – sie werden dann zum Fall für die Fliegenden Schönheiten. Dabei ist die Grenze in der Taubenstation schon erreicht. „Wir weisen aber niemanden ab. Es gibt keine Alternative“, sagt Nina Kopp. Die klassischen Plumpser versucht das Team durch das Austauschen von Eiern zu verhindern – und reguliert so auch die Taubenpopulation. Die echten Eier werden durch Kunststoffattrappen ersetzt. Die Tauben brüten dann mehrere Wochen auf dem Ei herum. „Würden wir die Eier nur entfernen, ohne sie auszutauschen, würden die Tauben direkt neue Eier legen.“

Auch ein paar Anekdoten wissen die Helferinnen zu erzählen. Taube „Neinneinnein“ hat eine neurologische Störung. Sie zuckt mit dem Kopf – ein Grund, weshalb keine andere Taube mit ihr zusammen sein will.

Ein grünes Stoff-Monsterchen ist deshalb nun ihr treuer Begleiter. „Sie hat auch kein anderes Stofftier akzeptiert. Das Monster ist nun ihr Partner“, erzählt Anke Amberger. Und schließlich fällt ihr Blick in Efkans Box. Das Küken hat zu fressen begonnen.