Totes Baby: Junge Mutter schuldfähig?
Im zweiten Totschlagsprozess gegen eine 24-Jährige wies das Landgericht gestern einen Befangenheitsantrag gegen den neuen psychiatrischen Gutachter zurück.
Wuppertal. Mit einem großen Tuch über dem Kopf und vor dem Gesicht huschte die Angeklagte durch die Phalanx aus Kamerateams und Zuschauern in den Gerichtssaal. Sie ist 24 Jahre jung, hat bereits einen Sohn im Kindergartenalter. Eine zweite Schwangerschaft brach sie 2005 ab. Beim dritten Mal war es für eine Abtreibung zu spät.
An einem Sonntag im Mai 2007 brachte die junge Mutter aus dem Kongo in der Badewanne der elterlichen Wohnung in Elberfeld ein Mädchen zur Welt - heimlich. Das Kind lebte nicht lang. Die Mutter hat gestanden, es kurz nach der Geburt erstickt zu haben. 2008 wurde sie zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Begründung unter anderem: Die Frau sei zur Tatzeit aus Angst, dass ihre Eltern sie verstoßen könnten, in einem Ausnahmezustand und somit vermindert schuldfähig gewesen.
Ein Richterspruch, der spaltet. Zu milde findet ihn die Staatsanwaltschaft und ging in Revision. Der BGH kassierte das Urteil, ordnete einen neuen Prozess vor einer anderen Kammer des Landgerichts an. Die Frage der Schuldfrage müsse von einem anderen Gutachter neu gestellt und beantwortet werden. Im Januar dieses Jahres hat dieser neue Psychiater die Angeklagte sechseinhalb Stunden lang befragt. Sein vorläufiges Ergebnis: Die junge Mutter war zur Tatzeit schuldfähig. Folgt das Landgericht dieser Auffassung, ist eine Bewährungsstrafe für die 24-Jährige kaum noch möglich.
So groß das öffentliche Interesse an dem Fall ist, so weit gehen die Meinungen über die dessen juristische Bewertung auseinander. Herrschte im ersten Prozess noch Einigkeit darüber, dass die aussagewillige Angeklagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt werden würde, lehnte die Kammer am Mittwoch einen entsprechenden Antrag des Verteidigers Andreas Sauter ab. Seine Mandantin macht deswegen im neuen Verfahren von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen.
Wie befragt man eine junge Mutter, die gestanden hat, ihre Tochter kurz nach der heimlichen Entbindung erstickt und dann den Leichnam sechs Monate im Keller versteckt zu haben? Für Verteidiger Sauter steht jedenfalls fest, dass der neue Gutachter - ein erfahrener Psychiater, der seit Jahren fürs Landgericht tätig ist - voreingenommen war und lehnte ihn am Mittwoch wegen des Verdachts der Befangenheit ab. Den entsprechenden Antrag wies die Kammer am Nachmittag zurück.
Damit stehen die Zeichen auf Konfrontation. Denn die Verteidigung will das neue Schuldfähigkeitsgutachten nicht unwidersprochen hinnehmen. Am Mittwoch forderte Verteidiger Sauter, die Gutachterin und den Vorsitzenden Richter aus dem ersten Prozess des Jahres 2008 als Zeugen zu hören. Über die entsprechenden Anträge hat das Gericht noch nicht entschieden. Die Verhandlung wird am Freitag Vormittag fortgesetzt.