Offen gesagt Überzeugende Vorstellung

Wuppertal · Das hat der Wuppertaler CDU im Grunde niemand mehr wirklich zutrauen können. In seit Jahren ungewohnter Einigkeit haben die Mitglieder des Kreisverbandes am Freitagabend den Grünen Uwe Schneidewind zu ihrem gemeinsamen Oberbürgermeister-Kandidaten für die Wahl am 13. September gemacht.

Und das ist nicht nur des eindeutigen Ergebnisses von fast 90 Prozent Ja-Stimmen wegen eine Sondermeldung. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Christdemokraten Wuppertals in den vergangenen Monaten so ziemlich das Gegenteil von Professionalität und Einigkeit demonstriert haben. Zuerst die Abwahl des ehemaligen Vorsitzenden und Landtagsabgeordneten Rainer Spiecker. Dann der Rücktritt des für Spiecker gewählten Vorsitzenden Matthias Nocke, Davor und dazwischen eine Kandidatensuche, die mit dem Wort „chaotisch“ noch freundlich umschrieben ist. Außerdem wussten entscheidende Parteifunktionäre nicht, dass Schneidewind Mitglied der Grünen ist, als sie ihn ansprachen, ob er Kandidat auch der CDU werden wolle. Das gibt es auch nicht allzu oft. Dass diesem Fauxpas eine Zeit der Ungewissheit, der Überzeugungsarbeit folgen würde, war abzusehen. Nicht abzusehen war, dass die Christdemokraten am Ende ein so eindeutiges, starkes Votum für Schneidewind zustande bringen würden. Das verdient Respekt.

Damit ist die Arbeit aber noch längst nicht getan. Und sie ist auch damit nicht erledigt, dass der Interimsvorsitzende in seiner Rede vor der Stimmabgabe viel von Wirtschaft, Investitionen und Stadtentwicklung auch zum Wohle von Unternehmen sprach. Es ist auch nicht damit getan, dass Schneidewind selbst diese Worte in seiner schwungvollen Bewerbungsrede pflichtschuldigst aufnahm. So einfach dürften die Parteimitglieder der CDU nicht zu umgarnen sein. Für die Christdemokraten kommt es nun darauf an, dass im Programm, das Schneidewind im Wahlkampf propagiert, auch genügend CDU vorkommt. Dazu braucht es Stärke, Kompetenz und Verhandlungsgeschick, von dem die neue Fraktionsführung seit Beginn des sogenannten Kernbündnis mit den Grünen im Stadtrat noch nicht allzu viel hat zeigen können. Aber vielleicht überrascht das Personal im Rat ja noch ebenso wie die Mitglieder, die sich so eindeutig auf das Abenteuer mit dem Gesellschaftsveränderer Uwe Schneidewind eingelassen haben.

Gelingt es den Parteistrategen aber nicht, dem gemeinsamen Kandidaten genügend Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklung und innere Sicherheit ins Stammbuch zu schreiben, dann kann der krachende Schuss vom Freitagabend auch nach hinten losgehen. Und in diesem Fall verlören auch die Grünen mit, die Schneidewind am Freitag ihrerseits mit schnörkellosen 100 Prozent der abgegebenen Stimmen auf den Schild hoben.

Noch ist die Kandidatenriege nämlich nicht vollständig. Dass Oberbürgermeister Andreas Mucke für die SPD wieder antritt, ist sicher. Und für die Linke geht Bernhard Sander ins Rennen. Das bedeutet, dass es bisher politisch drei eher beziehungswiese ausgiwiesen linke Bewerber um das wichtigste Amt in der Stadt ringen. Für den bürgerlichen Kandidaten wird aller Voraussicht nach die FDP sorgen. Und wenn es den Liberalen gelingen sollte, einen honorigen Bewerber zu benennen, dann kann alles geschehen. Dann kann es sein, dass zwar die CDU-Mitglieder ja gesagt haben zu Uwe Schneidewind, die Basis dagegen in vielleicht großen Teilen dem bürgerlichen, liberalen Herausforderer ihre Stimme geben, wenn Schneidewinds Programm nicht passt.

Deshalb hat Uwe Schneidewind am Freitag in der Papierfabrik lediglich eine erste Hürde genommen, sie war wider Erwarten niedrig. Doch höhere Hindernisse stehen bereits im Weg. Nun kommt es darauf an, wie viel Ideologiefreiheit im Kernbündnis steckt. Es kommt darauf an, auf der einen Seite Bäume zu umarmen und auf der anderen Seite womöglich auch Bäume zu fällen - für mehr Wohnen, für mehr Arbeit, vielleicht sogar für mehr Parken.

Wahlen werden nicht mit Visionen und Heilsversprechen für die ferne Zukunft gewonnen. In Städten wie Wuppertal geht es um profane Dinge. Es geht darum, ein bezahlbares Dach über dem Kopf zu haben, ein auskömmliches Einkommen, es geht um Solidarität mit den Schwachen und um Rückenwind für die Starken.