„Unsere Kirchen verbindet viel mehr, als sie trennt“

Werner Kleine, Pastoralreferent der katholischen Citykirche Elberfeld, gratuliert der evangelischen Kirche, „aber“. . .

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Am 31. Oktober beginnt das Lutherjahr. Die evangelischen Christen in Deutschland feiern die Gründung ihrer Kirche vor 500 Jahren durch Martin Luther und dessen 95 Thesen. Mit seinem Wirken hat Luther die Spaltung der Kirche initiiert. Das wirft die Frage auf, wie katholische Christen in Deutschland das Lutherjahr sehen. Im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung erklärt Werner Kleine, der Pastoralreferent der Citykirche Elberfeld, warum er im Lutherjahr nur bedingt einen Grund zur Freude sieht.

Herr Kleine, was bedeutet das Lutherjahr für die katholische Kirche?

Kleine: Es bedeutet, dass wir den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen zu ihrem 500-jährigen Bestehen herzlich gratulieren.

Also allgemein ein Grund zur Freude?

Kleine: Für uns Katholiken nicht unbedingt. Luther war Anlass der Kirchentrennung.

Bietet das Lutherjahr denn auch Ihrer Meinung nach die vielzitierte Chance auf mehr Ökumene?

Kleine: Nein. Wir tun jetzt so, als gäbe es einen großen ökumenischen Aufbruch. Aber bei näherer Betrachtung sind Bischof Reinhard Marx und der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm zwar gemeinsam nach Jerusalem gepilgert. Aber in den katholischen Gottesdiensten sind die evangelischen Christen nicht zur Kommunion gegangen, und umgekehrt war es nicht anders. Es hat sich also eigentlich nichts geändert. Im Übrigen tue ich mich als Katholik schwer, in Martin Luther einen Kirchengründer zu sehen. Kirchengründer ist der Heilige Geist, der Pfingsten auf die Erde gekommen ist.

Das klingt nicht nach mehr Ökumene?

Kleine: Unsere Kirchen verbindet viel mehr, als sie trennt. Und wir können von der evangelischen Kirche sicher manches lernen. Aber ich glaube, es ist falsch, die Unterschiede einfach zu übergehen. Ich plädiere für Einheit in der Verschiedenheit. Treibt uns die Verschiedenheit nicht viel mehr an?

Ist angesichts der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen überhaupt die richtige Zeit für Definitionsfragen? Müssten die Kirchen sich nicht viel mehr mit anderen Themen beschäftigen?

Kleine: Das ist eine wichtige Frage. Ich glaube auch, dass wir als Kirchen den Hang zur Hinwendung nach innen haben mit dem Ziel der Selbstvergewisserung, dass Gott da ist.

Ist dieses Wissen für Christen nicht Grundvoraussetzung?

Kleine: Ja, als Christ habe ich diese Erkenntnis. Wir glauben an einen, der für uns am Kreuz sein Leben gelassen hat und von den Toten auferstanden ist. Ich glaube daran, dass der Heilige Geist lebendig macht und alles, was atmet, so Tempel Gottes ist. Aus dieser Erkenntnis erwächst der Impuls der Hinwendung zu den Armen. Da vermisse ich den öffentlichen Streit, da vermisse ich die Teilnahme der Kirchen am öffentlichen Diskurs.

Und davon lenkt so etwas wie das Lutherjahr ab?

Kleine: 500 Jahre sind schon eine Hausnummer. Aber ich frage mich, mit welchem Ziel wird das gefeiert? Was wird da gefeiert? Feiern wir da eine Kirchengründung? Oder ein großes Gedenkfest einer Person? Das Reformationsjubiläum wurde zehn Jahre mit der sogenannten Luther-Dekade vorbereitet, aber erst im letzten halben Jahr setzt seine Kirche sich kritisch mit ihm auseinander. Luther ist ja nicht ganz unumstritten.

Also besser keine Feste, mit denen Kirchen sich selbst feiern?

Kleine: Die Kirchen und Gemeinden Wuppertals bereiten gerade für das nächste Jahr ein Christusfest vor. Und auch wir müssen uns fragen, was wir da feiern. Wir glauben doch an die Dreifaltigkeit, an Gott, Jesus Christus, seinen Sohn, und den Heiligen Geist. Die dreifaltige Einheit Gottes ist ja in sich nicht nur eine Mahnung zur Einheit der Christen; ein dreifaltiger Gott, der nicht in sich ruht, sondern sich der Welt mitteilt, fordert gerade die, die an ihn glauben, nicht in sich zu ruhen.

Was sollten Kirchen statt Lutherjahr und Christusfest tun?

Kleine: Wir haben Flüchtlinge, es gibt Kinderarmut. Und wir halten Sonntagsreden. Aber was packen wir an? Wir sind zu leise geworden.