Begrabt mein Herz in Wuppertal Die Kolumne aus dem geschmolzenen Laptop: Uwe Becker genießt diese Woche den niederländischen Strand
Wuppertal · Es ist Montag und ich liege am Strand. Unerträgliche Hitze. Die Sonne im Königreich der Niederlande brennt unbarmherzig auf mich und meinen Laptop. Mein Handy ist bereits geschmolzen und seine flüssigen, giftigen Überreste versickern im glühend heißen Sand.
Sehr lange kann ich nicht mehr hier bleiben, das Schreiben wird immer mehr zur Qual. Schweiß rinnt in erstaunlicher Menge von meiner Stirn und beiden Armen und tropft in unschöner Regelmäßigkeit auf die Tastatur. Ich entscheide mich für einen kurzen Aufenthalt im Strandrestaurant. Im Schatten eines korpulenten Herren, der direkt vor mir sitzt und einen Pfannkuchen mit Speck isst, senkt sich meine Körpertemperatur minimal. Seine Begleitung, eine Dame, ist extrem dünn und kann mir keinen Schatten spenden. Der Mann schwitzt stark und ich würde ihn gerne fragen, ob er eventuell ein Oberteil anziehen könnte. Ich traue mich nicht, am Ende sind es hier Ansässige, deren Sprache ich nicht beherrsche. Ich schaue einfach weg und bestelle in meiner Landessprache ein eiskaltes Bier, die Servicekraft versteht mich gut.
Ich denke darüber nach, ob das Ziel meiner Reise, die richtige Wahl war. Ich bin schon als Kind nicht gerne in Urlaub gefahren, da hat sich bis heute nicht viel verändert. Inzwischen habe ich auch Angst zu verreisen, weil ich befürchte, man könnte glauben, ich wäre AfD-Wähler. Immerhin liegt diese Partei in der Sonntagsumfrage schon bei 20 Prozent. Man möchte gar nicht wissen, wie es montags aussieht. Holland, um zurück zum Thema zu kommen, ist ja nicht so weit weg, man kann jederzeit wieder heimfahren, wenn man glaubt, dass man zu Hause besser aufgehoben wäre.
Aber ich möchte ja, wenn ich ehrlich bin, meine Füße auch mal kurz ins Meer halten, das ist ja schon angenehm, geht aber auch in der heimatlichen Badewanne. Die schönsten Orte der Niederlande sind angeblich Zoutkamp, Hindeloopen, Weggeloopen, Hierjeblieven, Den Helder, Bergen an Zee, Bloemendaal, Zandvoort, Noordwijk, und Scheveningen oder so ähnlich – kenne ich mich aus? Nein! Aber an keinem dieser Orte befinde ich mich zurzeit, was allerdings egal ist. Es ist fast unmöglich, dass mir ein Ferienort gefallen könnte. Im Internet erfahre ich, dass Holland eigentlich nur aus zwei Provinzen besteht: Nord-Holland und Süd-Holland, der ganze Rest scheint Niederlande zu sein. Es gibt kein Ost-Holland und auch kein West-Holland. Ich möchte darüber nicht nachdenken. Im Grunde heißt das ganze Land Niederlande. Holländer wollen inzwischen, dass man ihr Land nicht mehr Holland nennt, sondern Niederlande. Wenn ich Holländer oder Niederländer wäre, würde ich das auch wollen. Aber ich bin Deutscher. Schuld hat eigentlich Napoleon und sein jüngerer Bruder. Aber das ist eine unglaublich lange und komplizierte Geschichte. Ich bin ja kein Realschullehrer oder Historiker, der jetzt Lust hätte, bei 30 Grad im Schatten die ganze Geschichte breit und ausufernd zu erzählen.
Inzwischen sitze ich nicht mehr im Schatten, das Paar vor mir ist gegangen, daher bin ich wieder ungeschützt der massiven Sonnenstrahlung ausgesetzt. Ich würde jetzt gerne einen schönen Schlusspunkt setzen, um meine Kolumne zu beenden. Leider muss ich vorher meinen Laptop laden. Ich frage die Kellnerin, nach einer Steckdose, mir wird eine mit Kindersicherung zugewiesen, es dauert daher auch etwas, bis der Stecker drin ist. Jetzt bestelle ich eine gegrillte Seezunge und vorab ein paar Kibbelinge. Aus Respekt vor den ortsansässigen Fischern bestelle ich hier am Meer nichts vom Lamm, Rind oder Schwein, obwohl ich kein großer Fischesser bin. In der Ferne ist mein Appetit auch eher klein. Bald, wenn ich wieder in Wuppertal bin, es dauert ja nicht mehr lange, dann esse ich wieder tüchtig, wie meine Oma sagen würde. Nach zwei Wochen Schullandheim war ich damals auch stark abgemagert.