Verkehrsexperten der Uni spüren Sicherheitslücken auf

Prof. Jürgen Gerlach soll als Gutachter die Loveparade-Tragödie analysieren. An der Universität Wuppertal forschen er und seine Kollegen zu Fragen der Verkehrssicherheit.

Foto: Uwe Schinkel

Wuppertal. Der Wuppertaler Verkehrsexperte Prof. Jürgen Gerlach (53) ist von der Staatsanwaltschaft Duisburg beauftragt worden, im Verfahren um die strafrechtliche Aufarbeitung der Loveparade-Tragödie ein weiteres Gutachten zu erstellen. Nachdem das Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still vom Landgericht Duisburg aufgrund inhaltlicher und methodischer Mängel als nicht verwertbar abgelehnt wurde, ist nun die Expertise des Lehrstuhlinhabers Prof. Jürgen Gerlach gefragt.

Da die Bergische Universität führend in diesem Bereich ist, kommt die Berufung von Jürgen Gerlach für Experten nicht überraschend. Die WZ hätte ihn gerne dazu befragt, aber mit dem Hinweis auf seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit musste Prof. Jürgen Gerlach das Interview ablehnen.

Doch wer ist der Mann, der nun als Gutachter die schrecklichen Vorfälle am 24. Juli 2010 auf dem Loveparade-Gelände analysieren soll? Auf welchen Grundlagen baut er auf?

Prof. Jürgen Gerlach leitet seit dem 1. August 1999 das Lehr- und Forschungsgebiet Straßenverkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik an der Bergischen Universität und hat den Ruf als einer der maßgebenden international tätigen Verkehrssicherheitsexperten. Die Aufgaben des Lehr- und Forschungsgebiet reichen weit über das Thema Straßenverkehr hinaus. Unter anderem beschäftigen sich die Wissenschaftler an der Bergischen Universität mit Fragen der Dynamik von Fußgängerströmen sowie der Sicherheit in Gebäuden und bei Massenveranstaltungen. Hier reicht das Spektrum vom Experiment über die Modellbildung bis hin zur Computersimulation.

Wie das in der Praxis aussieht, konnten freiwillige Teilnehmer an einem Experiment im Mai 2012 auf dem Parkplatz des Pressehauses am Otto-Hausmann-Ring erfahren. Die Wuppertaler Wissenschaftler Prof. Armin Seyfried und Diplom-Ingenieur Stefan Holl ließen Radfahrer auf einem 100 Meter langen Parcours im Kreis fahren. Die Zahl der Radler wurde Runde für Runde erhöht — Staus, Stillstand und Gedränge waren die Folge. Wann und wie der Verkehr optimal fließt und wann es kritisch werden kann, wurde mit zwei Kameras aus den oberen Stockwerken des Pressehauses aufgezeichnet. Die Ergebnisse dieses Experiments fließen zum Beispiel in den Radwegebau ein.

Im gleichen Jahr wurde ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Forschung und Bildung gestartet, an dem gleich drei Fachgebiete der Bergischen Universität beteiligt waren. Die Wissenschaftler nahmen die Abläufe bei Großveranstaltungen wie dem Münchener Oktoberfest, der Silvesterfeier in Berlin oder der Annakirmes in Düren unter die Lupe. Ziel war es, Veranstaltern einen Leitfaden zur Verfügung zu stellen, der auf übertragbaren Erkenntnissen erfahrener Veranstalter und wissenschaftlich gesicherter Ergebnisse beruht.

Die Loveparade-Tragödie hat bis heute tiefe Spuren und Wunden hinterlassen. Die Ergebnisse der Forschung, die daraus resultieren, sind längst in den Alltag eingeflossen. So hat die Stadt Wuppertal als Konsequenz aus den Ereignissen in Duisburg mit der Wuppertal Marketing GmbH einen „Leitfaden für Veranstaltungen“ in einer überarbeiteten Fassung neu aufgelegt. Dieser aktualisierte Leitfaden soll den Veranstaltern vor allem die notwendige Planungssicherheit geben.

Den Leitfaden finden Veranstalter im Netz unter:

www.wuppertal.de/tourismus-freizeit/medien/dokumente/Leitfaden-Veranstaltungen-Stand-20150521-BE.pdf