Jugendhilfetag Vielfalt der Lebensrealitäten im Fokus der Wuppertaler Jugendhilfe
Wuppertal · Der siebte Jugendhilfetag in der Bergischen Universität im Zeichen des Austausches und der Reflexion.
In einer Welt, in der die Lebenswirklichkeiten junger Menschen so unterschiedlich sind, ist es eine der größten Herausforderungen der Jugendhilfe, die vielfältigen Bedürfnisse und Perspektiven zu verstehen – und vor allem: gemeinsam zu gestalten. Rund 200 000 Kinder und Jugendliche in Deutschland lebten 2023 außerhalb ihrer Familien in Wohngruppen oder Pflegefamilien, weitere 300 000 erhielten Unterstützung durch ambulante Hilfen. Hinter diesen Zahlen verbergen sich Einzelschicksale, die oft von Herausforderungen wie Migration, Armut oder schwierigen familiären Verhältnissen geprägt sind. Diese Vielfalt der Lebensrealitäten war der Ausgangspunkt für die Diskussionen auf dem siebten Jugendhilfetag, der an der Bergischen Universität stattfand – ein Tag, der nicht nur das tägliche Leben dieser jungen Menschen reflektierte, sondern auch die Frage aufwarf, wie die Jugendhilfe auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse besser reagieren kann.
„Die Kinder starten mit einem Haufen Gewicht an den Füßen ins Leben. Dieses müssen sie im Laufe des Lebens weitgehend verkleinern – und dabei unterstützen wir sie“, so Klaus Schmidt, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Jugendhilfe Wuppertal. Doch wie sieht diese Unterstützung konkret aus? Welche Herausforderungen prägen ihr Aufwachsen? Diese und weitere Fragen standen einen Tag lang im Mittelpunkt. Unter dem Motto: „Lebenswirklichkeiten junger Menschen in der Jugendhilfe: Wahrnehmen. Verstehen. Gemeinsam gestalten“ bot der Tag mit fast 1000 Teilnehmenden, darunter Fachkräfte, Experten und Studierende, eine Plattform für Diskussionen und Perspektivwechsel.
Der Tag bot eine Plattform für die Bildung von Netzwerken
„Der Jugendhilfetag ist ein gemeinschaftliches Projekt und ein Ort, an dem Wissenschaft und Praxis miteinander verschmelzen“, erklärte Gertrud Oelerich, Professorin für Sozialpädagogik an der Bergischen Universität. Der Dialog zwischen Theorie und Praxis sei entscheidend, um die Hilfsangebote ständig weiterzuentwickeln. Auch Annette Berg, Dezernentin für Soziales, Jugend, Schule und Integration, unterstrich die Wichtigkeit des ständigen Reflektierens: „Die Jugendhilfe muss sich immer wieder fragen, ob die Angebote wirklich den Bedürfnissen entsprechen.“
Partizipation und Mitbestimmung sind zentraler Bestandteil der Jugendhilfe. Diese Erkenntnis spiegelte sich auch in einem Film des Medienprojekts Wuppertal wider, in dem Jugendliche über ihre Alltagsrealitäten erzählen – über die Unterstützung, die sie erhalten sowie von den Dingen, die sie als Unterstützung empfanden, aber auch von den Bereichen, in denen noch Verbesserungsbedarf besteht. Der Film soll deutschlandweit in der Jugendhilfe genutzt werden, „denn er dient als wichtiges Reflexionsinstrument für die Teams, um deren Stärken und Schwächen zu erkennen und kontinuierlich zu verbessern“, so Andreas von Hören, Geschäftsführer des Medienprojekts Wuppertal.
Das Netzwerken der verschiedenen Träger und das Teilen von Erfahrungen machten den Jugendhilfetag zu einem bedeutenden Event. In diversen Foren und Vorträgen wurde über zentrale Themen wie Migration, Armut, Medienbildung und Demokratiebildung diskutiert. „Der Tag hat Fortbildungscharakter“, erklärt Luisa Rieß, Fachbereichsleiterin der Kinder- und Jugendwohngruppen der Stadt Wuppertal. Der Jugendhilfetag diente nicht nur als Forum für Fachkräfte, sondern auch als Gelegenheit für Auszubildende und Studierende, sich über das weite Feld der Kinder- und Jugendhilfe zu informieren und mögliche Berufsperspektiven zu entdecken.
Christine Roddewig-Oudnia, Leiterin des Wuppertaler Jugendamts, wies auf die Auswirkungen des Fachkräftemangels hin: „500 Stellen wurden in NRW gestrichen – das bedeutet 500 weniger Plätze für Kinder.“ Die Komplexität der Aufgaben sei ebenfalls gestiegen, da immer mehr Kinder und Jugendliche mit „multiplen Diagnosen, wie beispielsweise psychischen Erkrankungen oder Traumata, konfrontiert sind. Die Anforderungen an Fachkräfte sind enorm gewachsen“, so Klaus Schmidt. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müsse man nicht nur Fachkräfte gezielt qualifizieren, sondern auch Quereinsteiger für die Arbeit in der Jugendhilfe gewinnen. Dafür brauche man neue Fortbildungsmöglichkeiten.