Vierjährige zeigt ihre Kunst

Amelie Rösler malt viel — und mit Gefühl für Farben. In der Backstubengalerie sind jetzt an die 30 Werke von ihr zu sehen.

Foto: Andreas Fischer

Eigentlich ist Familie Rösler, Vater, Mutter, zwei kleine Kinder, eine ganz normale Familie. Doch wenn die vier eine Reise antreten, sind immer reichlich Acrylfarben und Leinwand im Gepäck, die bei der Rückkehr in kleine Kunstwerke verwandelt worden sind. So geschah es auch gerade wieder bei ihrem Portugalurlaub. Tochter Amelie, die am Freitag vier Jahre alt wurde, bestreitet am Samstag bereits ihre vierte Ausstellung — in der Backstubengalerie zeigt sie an die 30 erstaunliche Bilder, bemalte Kacheln und Steine, die am Atlantikstrand entstanden.

Das Wuppertaler Ausnahmetalent malt abstrakt, mit einem erstaunlichen Instinkt für Farben, spielerisch und grenzenlos, was die Materialwahl angeht. Ob Obstkern oder Orangenschale, der Farbe wegen, ob Murmel, Sand, Muscheln oder Wind, der die Farbe verweht: „Sie nimmt alles mit, was sie in der Natur, beim Spielen, beim Essen findet und wirft es auf die Leinwand“, sagt ihre Mutter Qingqing lächelnd. Die 36-jährige studierte Regisseurin zeichnet selbst, fördert die Kreativität ihrer Tochter nach Kräften. Eingepackt in Anorak und bekleckste Buddelhose bemalte Amelie, das Sandeimerchen voller Farbe, auf dem portugiesischen Strand eine sieben Meter lange Leinwandrolle, die eigentlich für den ganzen Urlaub reichen sollte, binnen weniger Stunden. Arbeitete mit dem ganzen Körper, Händen und Füßen. „Sie nimmt die Farbe in die Hand, schmeißt sie, rollt sie, drückt sie auf die Leinwand“, beschreibt ihre Mutter: „Sie ist relaxed und froh beim Malen.“ Taucht in ihre eigene Welt ab, „malt konzentriert mit viel Gefühl und Fantasie“, erklärt Vater Guido, der Amelies Tun fotografiert und filmt, „damit sie das später sehen und stolz darauf sein kann“. Der 48-Jährige ist sich der elterlichen Verantwortung bewusst, begleitet seine Tochter sorgsam, achtet auf das rechte Maß.

Wie alle Kinder malte auch Amelie zunächst mit Buntstiften und Papier. Dass rasch mehr daraus wurde, liegt an ihrem Vater, der eine Immobilienfirma hat. 2016 musste er eine Drei-Zimmer-Wohnung renovieren. Die Gelegenheit für die damals Zweijährige sich auszutoben — mit Pinsel, Farbtuben, Leinwänden, weil ihr das Papier schnell zu klein wurde, und Baumaterialien, die sie vorfand. Den Eltern gefielen die Bilder, gefiel das freie, kreative Schaffen. „Wir wollen, dass die Kinder vor allem frei sind“, beschreibt Qingqing ihre Erziehungsmaxime. Dafür wurde der heimische, an die 40 Quadratmeter große Sportraum „geopfert“, den nun Amelie und ihr zweijähriger Bruder Felix, der seiner Schwester bereits nacheifert, als Atelier nutzen.

In die Öffentlichkeit fand dieses Schaffen bei einer China-Reise. Über Freunde kamen Idee und Gelegenheit, in einer riesigen Halle Bilder auszustellen. Bilder, die einerseits das Signal senden sollten, was Kinder vollbringen können, die so erzogen werden, dass sie sich frei entfalten können, und deren Erlös andererseits hilfsbedürftigen Kindern zugute kommen sollte. Bilder, die es noch nicht gab — weshalb die Familie kurzerhand, aber gut vorbereitet (von der Genehmigung bis zur Schutzfolie) zur chinesischen Mauer und zum Kaiserpalast fuhr, wo Amelie malte. Am 20. April 2017, an ihrem Geburtstag, wurde die Ausstellung in Peking eröffnet. Es folgte eine weitere in Qingqings Heimatstadt Huangshi. Auch sie als Charityaktion geplant — 30 000 Euro kamen am Ende zusammen, die für arme und behinderte Kinder in China gespendet wurden. Wenig später wurde Amelie von Jiny Lan zu einem Workshop nach Düsseldorf eingeladen. Die bekannte deutsch-chinesische Künstlerin ist von ihrem leidenschaftlichen Farbumgang fasziniert.

Und was macht das Wunderkind, wenn es (mal) nicht malen will? Dann ist es ein ganz normales Kind, das mit Puppen oder Knete und derzeit gerne draußen spielt. Das aber schon jetzt viel liest — in deutscher, englischer und chinesischer Sprache. Für Fernsehen, Handy und Tablet ist da, zur Freude der Eltern, keine Zeit.