Corona Vom Druck, wenn plötzlich alle zu Hause sind

Die Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern gibt Tipps zum Umgang mit der Corona-Krise.

Ute Sonnenschein und Uwe Faulenbach beraten Familien in schwierigen Situationen. 

Foto: Schwartz, Anna (as)

Plötzlich sind alle zu Hause. Die Eltern sollen zu Hause arbeiten, die Kinder können nicht in die Schule oder in den Kindergarten. Experten warnen vor einer Zunahme häuslicher Gewalt, Lehrer und Erzieher wissen teilweise von vorn herein, dass die Zeit zu Hause für einige Kinder nicht schön sein wird. Aber auch diejenigen, bei denen es nicht so heikel zugeht, wissen, dass die neue Situation Stress bedeuten kann. Ute Sonnenschein von der städtischen Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern: „Es ist hochbelastend, einerseits. Und kann eine Chance sein, andererseits“.

Die Corona-Krise bringt viele Stressfaktoren für Familien mit sich. Die Eltern müssen zu Hause arbeiten, gehen in Kurzarbeit oder haben generell Sorgen um den Job und das Geld. Sie haben Sorgen wegen des Virus, um die Gesundheit und die Angehörigen. Für sie und die Kinder fehlen plötzlich viele Kontaktpersonen im Alltag. Oma, Opa, Erzieher, Lehrer. „Die Familien sind total auf sich zurückgeworfen“, sagt Sonnenschein. Das könne enormen Stress bedeuten.

Die Situation kann zu Konflikten führen - wenn die Ventile fehlen, die Erfolgserlebnisse außerhalb oder die Bestätigung, Ermutigung durch Andere, wenn es aufgestaute, ungelöste Konflikte gebe. Als typisches Beispiel für ein Feld, auf dem sich Ärger entladen könne, nennt Uwe Faulenbach von der Beratungsstelle etwa die Mediennutzung der Kinder. Besonders wichtig sei der Blick auf die Kinder, bekräftigen Sonnenschein und Faulenbach. „Eltern sollten Sicherheit vermitteln. Das geht vor allem über Tagesstruktur“, sagt Sonnenschein. Sie empfiehlt also Kinder regelmäßig zu wecken, geregelte Mahlzeiten einzunehmen, Zeit für Hausaufgaben einzuplanen. „Aber auch rausgehen ist wichtig“, und: Sich freie Zeiten einräumen. Für alle Familienmitglieder. Faulenbach sagt, ein Spannungsbogen im Tag sei wichtig - zu wissen, wann was passiert.

Nicht zu lange im Voraus planen in unsicheren Zeiten

Auf mittlere oder lange Sicht zu planen – davon rät er aktuell ab. In der derzeitigen Lage müsse man von Woche zu Woche gucken, was möglich ist.

Die Situation sei für alle ungeübt. aber man könne die Zeit als Chance begreifen. Etwa, wenn man gemeinsam Dinge macht, zu denen man sonst nicht kommt: Aufräumen, Unterlagen sortieren: „Da können auch die Kinder helfen und etwa Papiere lochen“, gibt Sonnenschein einen Tipp.

Auch gut sei etwa, den Kontakt zu den Großeltern oder anderen Kontaktpersonen zu suchen: „Man kann ja auch einen Brief schreiben“, sagt sie. So könne man auch Kontaktformen einüben, die heute viele nicht mehr kennen. Oder – moderner – zusammen Skype installieren.

Im Umgang mit Corona empfiehlt die Familienberaterin, offen mit den Kindern zu sprechen, aber gut informiert, aus seriösen Quellen. „Keine Angst verbreiten, aber Achtsamkeit beibringen“. Mit dem Virus beschäftigen, und so die Ängste nehmen. Da dürfe auch Humor nicht zu kurz kommen. Trotz allem. Es helfe zum Beispiel, das Virus zu malen. „Kinder brauchen eine Vorstellung davon“, sagt sie.

Wer Konflikte mit den Kindern habe, dem empfiehlt Faulenbach eine sogenannte Unterstützergruppe. Man könne etwa den Onkel oder die Tante eines Kindes informieren. Die sollen dann Kontakt suchen, sich die Hintergründe vom Kind erklären lassen. „Das bringt die Beteiligten in eine andere Gesprächssituation“, sagt er. So werde Spannung herausgenommen, Eltern und Kind müssen so noch mal anders über den Streit nachdenken. „Dadurch kommt etwas in den Fluss“, sagt Faulenbach.

Während sich Paare aber noch abwechseln, sich helfen können, die Situation zu bewältigen, sei die Lage für Alleinerziehende besonders belastend, so Sonnenschein. Sie seien doppelt und dreifach eingebunden. Und sie fühlten sich dabei auch besonders alleine.

Besonderer Druck entstehe auch bei geschiedenen Eltern oder getrennten Paaren. „Wenn das Band zwischen ihnen ohnehin dünn ist, dann wird es jetzt erst recht belastend“, sagt Faulenbach. Gerade weil dann auch Misstrauen hinzukommen könne: Mit wem hatte der andere Kontakt? Ist mein Kind dort sicher? Bringt mein Kind das Virus jetzt über das andere Elternteil nach Hause? Wichtig sei vor allem eines: Die Situation nicht am Kind auslassen. Und sich kompromissbereit zeigen: „Jetzt keine Grundsatzdiskussionen“, rät Faulenbach.