Lesung Vom Scheitern und Wachsen – Julie von Kessel liest in Ronsdorf

Julie von Kessel las in der Stadtteilbibliothek in Ronsdorf aus ihrem Roman „Die andern sind das weite Meer“.

Julie von Kessel war mit ihrem Roman „Die anderen sind das weite Meer“ zu Gast in der Stadtteilbibliothek Ronsdorf.

Foto: Kevin Bertelt

„Schreiben ist für mich wie Träumen“, so Julie von Kessel. Sie zog nun die Besucher der Lesung ihres neuen Romans „Die andern sind das weite Meer“ auf Einladung der Ronsdorfer Bücherstube mit in ihren Traum.

Es ist ein Traum über eine Familie: Die Mutter ist verstorben und Hans, der Vater, kämpft in fortschreitendem Alter mit Demenz. Er liest in der Zeitung von einem Beluga-Wal, der sich in der Seine verirrt hat, und fühlt sich sofort mit ihm verbunden, was wohl auch das Cover erklärt. Der Titel ist ein Auszug aus dem Liebesgedicht von Mascha Kaléko.

Die drei Kinder sind so mit ihren eigenen Lebensbaustellen beschäftigt, dass sie zuerst keine Zeit für ihren Vater finden: Tochter Luna befindet sich als Journalistin in der Ukraine und sieht sich dem dortigen Krieg gegenüber, Sohn Tom ist seinem Beruf als Psychiater so überdrüssig, dass er sich in Zeremonien mit halluzinogenen Pflanzen flüchtet, und Tochter Elena kämpft mit dem Krebs. Es sind vier Handlungsstränge, die sich mit verschiedenen Formen von Scheitern und dem Daraus-lernen beschäftigen und vielleicht irgendwann zusammenfinden. Im Roman sind es vier Personen, die diese Dinge erleben. Julie von Kessel jedoch hat all diese Erfahrungen selbst gemacht und in jede Figur einfließen lassen, sogar die Zeremonie mit Pflanzensud. „Vor der hatte ich besonders Angst“, erzählte die Autorin, stellte aber gleich fest: „Ich benutze immer alles, was ich erlebe, weil ich das heilend finde.“ Mit ihren eigenen Erlebnissen zog sie die Besucher in ihren Bann, berichtete mal ernst von ihrem Kampf mit dem Krebs und dem Besuch in der Ukraine, mal schmunzelnd von der Dynamik in ihrer eigenen Familie und dem Schreibprozess.

In der Diskussionsrunde am Schluss stellte sich Julie von Kessel den Fragen der Anwesenden. Was zunächst zaghaft anfing, endete mit viel Gelächter und geweckter Neugier. Über die Frage, was denn nun die Botschaft des Buches sei, musste die Autorin selbst nachdenken. Es ginge darum, Verantwortung zu übernehmen, erklärte sie schließlich. Für das eigene Leben, aber auch für die Familie. Das eigene Leben zu erfüllen, anstatt sich in etwas zu flüchten.

Die meisten Anwesenden hatten das Buch noch nicht gelesen, doch ein paar wenige eifrige Leser steckten mit ihrer Begeisterung an: „Den letzten Satz fand ich einfach super“, rief ein Besucher in der Stadtteilbibliothek Ronsdorf aus. Warum, das sollen die Leser nun selbst herausfinden.