Von Barmen in die USA: 26-Jährige reist auf Spuren ihres Vorfahren
1880 tourte der Ururgroßvater von Sibylle Randoll von Barmen aus durch die USA, um sich in der Lederherstellung fortzubilden. Fast 140 Jahre später reist sie ihm nun auf Basis seines Tagebuchs nach - so originalgetreu wie möglich.
Wuppertal/New York. Aus reiner Langeweile blätterte Sibylle Randoll vor einigen Jahren an Weihnachten im Buch ihres Ururgroßvaters. Otto Dahl war 1880 von Wuppertal-Barmen aus für zwei Jahre nach Bozeman im US-Bundesstaat Montana gereist, um sich in der Lederherstellung fortzubilden. Seine Erlebnisse schrieb er detailliert in altertümlicher Schreibschrift in ein großes ledereingebundenes Buch. Vor rund zehn Jahren tippte Randolls Großmutter das Tagebuch auf rund 200 Seiten ab und schenkte jedem ihrer Enkelkinder ein Exemplar.
"Meine Reise nach Amerika 1880 - 1882" las Randoll - und aus dem gelangweilten Blättern war ein Traum entstanden. "Die Idee war geboren, eines Tages die Orte zu besuchen, die mein Ururgroßvater auf seiner Reise gesehen hatte", erzählt Randoll. Die Stuttgarterin arbeitete bis vor kurzem in einer PR-Agentur und ist 26 Jahre alt - genau so alt wie ihr Ururgroßvater, als er 1880 aufbrach. Monatelang hat Randoll gespart und sich vorbereitet, am Mittwoch, 4. Mai, bricht sie auf.
Mit dem Schiff geht es von Bremerhaven über Southampton in Großbritannien nach New York und von dort aus über die Niagarafälle und den Mittleren Westen durch die Bundesstaaten Michigan, Illinois, Missouri, Kansas, Colorado, Wyoming, Utah und Idaho nach Montana. "Ich freue mich eigentlich auf jeden Teil der Reise", sagt Randoll. "Aber wenn ich mich auf eines festlegen müsste, dann die Ankunft in Bozeman - das Gefühl, in der Stadt einzufahren, darauf bin ich gespannt."
So weit wie möglich will Randoll versuchen, die Reise originalgetreu nachzumachen. "Bis Montana werde ich per Zug und Bus reisen - Postkutschen gibt es ja leider nicht mehr." Übernachten will sie ähnlich wie ihr Ururgroßvater in Hotels und bei Verwandten und Freunden. Sogar ein Kleid wie aus den 1880er-Jahren hat sie sich schneidern lassen - blau, hochgeschlossen, mit weiten Röcken, Hut und Schirm. "Allerdings nur das eine, und das werde ich an wichtigen Punkten der Reise anziehen. Ansonsten werde ich in normaler Kleidung unterwegs sein, sonst hätte ich wirklich noch eine Zofe und ein paar Kofferträger gebraucht."
Randoll will das langsame Reisen wiederentdecken und erleben, was ihr Ururgroßvater einst erlebte. "Laut seinem Bericht gefiel es ihm gut, er hat einiges gelernt und auch ein paar Abenteuer erlebt, zum Beispiel beim Jagen in Montana. Er hat während seiner Reise auch in verschiedenen Lederfabriken gearbeitet, das werde ich natürlich nicht machen." In einem Blog und in soziale Netzwerken will Randoll ihr Abenteuer, das bis Oktober dauern soll, dokumentieren.
Außerdem will die 26-Jährige mehr über die Geschichte der deutschen Einwanderer in den USA lernen. "Ich würde gern herausfinden, wie lebendig die deutsche Kultur dort noch ist." Randolls Ururgroßvater war einer von rund 7,2 Millionen Menschen, die dem Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven zufolge über die Häfen der Stadt nach Amerika aufbrachen. Randolls Vorfahr kehrte zurück nach Deutschland, nachdem er erfahren hatte, dass sein Vater gestorben war. Millionen andere Deutsche blieben für immer in der Neuen Welt.
Randoll ist vor ihrem großen Abenteuer aufgeregt - und optimistisch. "Richtig große Sorgen mache ich mir keine, es wird schon alles klappen. Aber natürlich hoffe ich, dass ich keinen Unfall habe oder mein Kleid abhanden kommt."