Engels 2020 Vorerst zeigt der Katalog, was die Ausstellung zeigen würde
Die große Engels-Schau „Ein Gespenst geht um in Europa“ darf nicht eröffnet werden. Ansprechender Begleitband als Trost.
Das gerasterte Porträt auf dem Bucheinband kennt derzeit in Wuppertal jeder. Auch das Design, vom Logo bis zu den Schrifttypen, ist das vom Jubiläumsjahr „Engels 2020“. Und doch ist etwas anders: Die rote Farbe dominiert. „Revolutionsrot“, lächelt der Leiter des Historischen Zentrums, Lars Bluma, der den knapp 260 Seiten starken Katalog herausgibt. Pünktlich fertig geworden sollte das ansprechende, hochwertig gestaltete Werk ab morgen durch die große Ausstellung „Friedrich Engels - ein Gespenst geht um in Europa“ begleiten. Doch die Schau muss geschlossen bleiben. Und Bluma muss sich mit dem Band trösten, der nun auch eine Art Ersatz in Papierform ist.
Die Zeit war knapp. Im Sommer 2018 kam die Idee zur Ausstellung und damit zum Katalog auf. Ohne Förderung durch den Bund wäre es auch dabei geblieben. Nun gibt es in der Kunsthalle Barmen eine „fantastische Ausstellung“, die es so noch nie gegeben habe, die in fünf Räumen den historischen Engels anhand seiner Lebensstationen lebendig werden lässt. Beginnend mit dem dunkelblauen Entrée, das seiner Jugend in Barmen gewidmet ist. Es folgt ein länglicher, diagonal zweigeteilter Raum. Da ist die helle Zeit in Bremen und Berlin, die der dem Wuppertal „entkommene“ 20-Jährige als Befreiung erlebt.
Und da ist der erste Aufenthalt in Manchester, wo er die dunkle Seite der Industrialisierung kennenlernt. Mit großformatigen Schwarz-Weiß-Fotos auf dunkelgrauen Wänden. Damals entstand eines seiner Hauptwerke zur Lage der arbeitenden Klassen in England. Der dritte Bereich ist in tiefes (Revolutions-)Rot getaucht, weil er die unruhigen, vorrevolutionären Jahre nachzeichnet, die Engels in Brüssel, Köln, Paris und am Ende in Elberfeld und im Badischen erlebte.
Er lernte Karl Marx kennen und er ging auf die Barrikaden, schloss sich der Revolutionsarmee im Baden-Pfälzischen Aufstand an, musste fliehen, wurde steckbrieflich gesucht, kam über die Schweiz und Italien nach England. In Manchester vertrat Engels lange Jahre die Unternehmensinteressen seiner Familie. Raum vier ist deshalb ziegelrot gefärbt, in Anlehnung an die Farbe der Fabrikgebäude.
Farben der Ausstellungsräume spiegeln die Lebensphasen
Das Ende im letzten Raum ist mintgrün. In London stirbt Engels, nachdem er endlich machen konnte, was er wollte, nicht mehr im Konflikt zwischen geschäftlichem und kultur-philosophischem Leben stand. In seinen letzten Jahren gab er gemeinsam mit Marx (Band 1) und nach dessen Tod allein „Das Kapital“ (Band 2 und 3) heraus. Bluma: „Wir lassen den Nachlass von Marx symbolisch als Papierflut von der Decke hängen und aus Kartons quellen und in zwei Bücher münden.“
Ausstellung und damit Katalog sollen weder oberlehrerhaft wirken noch die zahlreichen Mythen bedienen. Gezeigt und erzählt wird nicht die Geschichte des Kommunismus, sondern die der Persönlichkeit von Engels im 19. Jahrhundert. Das ein aufregendes, dynamisches gewesen sei in Europa, erklärt Bluma, das miterzählt werden müsse, weil man Engels sonst nicht verstehe.
18 Autoren schreiben „im besten Sinne populärwissenschaftliche“, lesbare und in der Regel auf 12 Seiten begrenzte Artikel, die „auf gesicherten Erkenntnissen basieren, ohne Vorkenntnis verständlich sind und denen Literatur empfehlen, die mehr wissen wollen“. Autoren aus dem Haus haben mitgewirkt, Experten, Wuppertaler und internationale Historiker. Selbst Michael Knieriem, Vorvorgänger von Bluma, war zur Stelle, wenn auch, gesundheitlich bedingt, auf Beratung beschränkt.
Die Beiträge geben den Ablauf der Ausstellung nicht Eins zu Eins wieder, aber ihre Themen finden sich darin. Und der Katalog lebt von seinen großartigen Bildern, meist repräsentative, gemalte (Öl-)Bilder oder Fotografien, dem Medium, das im 19. Jahrhundert den Blick der Menschen veränderte und in der Ausstellung immer wieder als Eyecatcher eingesetzt wird. Überdies Abbildungen der Exponate – das Taufkleid von Engels und ein Taschenmesser, das ihm Solinger Arbeiter zum 70. Geburtstag widmeten. Das „multiperspektivische Angebot soll Leser dazu führen, Engels für sich zu erschließen und dann für sich zu überlegen, was daran für ihn heute wichtig sei“, fasst Bluma zusammen.
Und die Ausstellung? Ist fast fertig eingerichtet, wenn auch die eine oder andere der vielen Leihgeber, etwa aus Amsterdam oder Berlin, ihr Exponat vorerst nicht auf die Reise schicken. „Wir sind im Standby-Modus. Ich hoffe, dass wir die Ausstellung in ein paar Monaten eröffnen und vielleicht etwas verlängern können.“