Wenn das Wandern pure Lebenslust ist

Jeanette Zimmermann ist gern und viel zu Fuß unterwegs und teilt ihre Leidenschaft im Internet mit anderen Lauf-Begeisterten.

Foto: Anna Schwartz

Wuppertal. Das Wandern ist für Jeanette Zimmermann weit mehr als nur Lust. Es ist ihr Leben. „Die Landschaft, die Weite, die Ruhe und der Geruch - das fasziniert mich immer wieder. Jede Jahreszeit riecht anders. Das habe ich früher nie so wahrgenommen“, sagt die 45-Jährige. Jede freie Minute verbringt sie im Freien, entfernt sich Schritt für Schritt von Stress und Sorgen, gewinnt Abstand. „Dann lasse ich alles hinter mir und tauche in eine andere Welt ein. Anzukommen ist ihr dabei gar nicht so wichtig, vielmehr ist für sie der Weg an sich schon das Ziel. Es geht auch darum, die eigenen Grenzen zu testen und zu spüren, wie weit ich aus eigener Kraft komme.“

Die Hahnerbergerin kommt immer weiter. Rund 1400 Kilometer ist sie in diesem Jahr bereits gelaufen und es sollen noch einige dazukommen. „Eine konkrete Zahl habe ich nicht im Kopf. Doch wenn ich am 31. Dezember angekommen bin, freue ich mich über ein paar Meilen.“ Die unmittelbare Umgebung reizt sie bei ihren Touren genauso wie die Ferne.

Über ihre Entdeckungen im Bergischen Land und vielen anderen Regionen berichtet sie regelmäßig in ihrem Internet-Blog www.wanderschas-blog.jimdo.com. Dort und auch in einem Sonderheft des Deutschen Alpenvereins lädt sie die Leser zum Beispiel zu „Samba in Wuppertal“ ein. Ihre Route verläuft auf und abseits der Trasse und verführt Nachwanderer über schmale Pfade bis tief ins Burgholz. „Auf den ersten Blick wirkt es wie das absolute Chaos, doch ich bin es selbst so gelaufen und gerade die verschlungenen Wege gefallen mir am besten.“

Für alle, die das ständige Auf- und Ab aus der Puste bringt, hat sie bewusst Verschnaufpausen eingeplant. „Das Café Podzelny liegt ebenso an der Strecke wie das Schwimmbad Neuenhof und die Bahnhofsgaststätte Burgholz. Dort gibt es ein gutes Bier und überall kann man im Sommer draußen sitzen“, berichtet die passionierte Fußgängerin. Sie selbst kommt auch gut ohne Einkehr aus. „Meine Habseligkeiten habe ich immer im Rucksack dabei und essen kann ich auch gut im Gehen.“ Unterwegs zu sein, ist für sie das Entscheidende.

Entdeckt hat sie das Wandern schrittweise. „Schon als Kind war ich immer viel draußen. Den Puppenwagen habe ich nur gebraucht, um mein Indianerzelt in den Wald zu schieben“, erinnert sie sich lachend. Doch dann kam zunächst der Beruf dazwischen, bevor sie ihre Tochter im Kinderwagen durch die Natur schob. „Ohne Indianerzelt.“

Kaum stand der Nachwuchs auf eigenen Beinen, lockte sie ihn hoch auf den Brocken. „Damals habe ich meiner Tochter zehn Euro versprochen. Die wollte sie dann kurz vor dem Gipfel in eine Kutschfahrt nach oben investieren.“ Das kam natürlich nicht in Frage. Denn für Jeanette Zimmermann gilt die Devise, nur wo sie zu Fuß war, ist sie auch wirklich gewesen.

Inzwischen macht sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrem Partner regelmäßig auf den Weg, um Neues zu entdecken. „Ich liebe es, mit den Menschen, die ich liebe, loszuziehen. Wir haben immer etwas vor, und es ist nie langweilig“, sagt sie und ihre blauen Augen strahlen.

Zuletzt haben sie zusammen die Alpen überquert. In vier Tagen haben sie 110 Kilometer und noch viel mehr Höhenmeter zurückgelegt. „Das war unglaublich anstrengend, aber mindestens ebenso überwältigend.“ Mit wenig Ausrüstung und noch weniger Schlaf auszukommen, war eine Herausforderung. „Wer mal in einer Hütte übernachtet hat, empfindet eine Jugendherberge als puren Luxus. Es ist eng, spartanisch und irgendwer schnarcht immer.“ Nach ihrer Rückkehr fand sie fremde Shirts und Socken in ihrem Rucksack und dafür fehlten einige ihrer Kleidungsstücke.

Dennoch war die Tour für sie so ein Erlebnis, dass sie sich beim Deutschen Alpenverein als Wanderführerin für die Bergregion ausbilden lässt. „Dabei lerne ich ganz viel, das mich vorwärts bringt. Gleichzeitig macht es mir Spaß, an-dere zu bewegen und mitzuziehen.“ Immer wieder lernt sie unterwegs andere Menschen kennen und kommt mit ihnen ganz ungezwungen ins Gespräch. „Die meisten sind unkompliziert, und da alle das gleiche Ziel haben, treffen wir uns an markanten Punkten immer wieder.“

Die Natur ist für die 45-Jährige ein großes Fitnessstudio. „Das Wandern holt mich aus allem raus. Das kann ich immer machen, ohne Eintritt und Öffnungszeiten. Es gibt eigentlich keinen Grund, nicht loszugehen.“ Denn Wandern ist für Jeanette Zimmermann die pure Lust am Leben.