Herausforderung Wie die Wuppertaler Agentur für Arbeit in der Pandemie nicht den Kontakt zu den Kunden verliert

Interview | Wuppertal · Agentur-Chef Martin Klebe spricht über die Herausforderungen der Berufsberatung durch die Pandemie.

Der Chef der Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal, Martin Klebe, blickt auf die Veränderungen in der Berufsberatung durch die Pandemie zurück.

Foto: Michael Schütz

Herr Klebe, wie hat sich die Corona-Pandemie in den vergangenen zwei Jahren auf die Berufsberatung ausgewirkt?

Martin Klebe: Die Arbeit der Berufsberatung war vor allem in den ersten Lockdown-Phasen beeinträchtigt, als die Schulen geschlossen waren. In dieser Zeit konnten wir die Schulen leider nicht besuchen, dabei ist der persönliche Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern bei unserer Arbeit das A und O. Wir haben dann unmittelbar versucht, alternative Wege zu entwickeln. Vor allem haben wir in der Zeit telefonisch beraten. So haben wir Direktwahlnummern zur Berufsberatung installiert und diese über die Schulen an die Schülerinnen und Schüler kommuniziert. Auch für Solingen gab es eine spezielle Nummer, wo ein Berufsberater direkt am Apparat war, um die Hemmschwelle für die Jugendlichen ein wenig zu senken. Parallel dazu haben wir eng mit unseren Partnern, den Jobcentern, der IHK und Kreishandwerkerschaften, zusammengearbeitet und digitale Angebote auf den Weg gebracht.

Wie sahen diese Angebote aus?

Klebe: Unter anderem gab es kleine Messen, bei denen Arbeitgeber und Schülerinnen und Schüler sich virtuell treffen konnten. Seitdem bieten wir auch Beratungsgespräche per Videochat an. Anfang 2021 konnten wir dann nach und nach an die Schulen zurückkehren und sind nun seit August 2021 wieder vollständig an den Schulen präsent. Bei dem Versuch der Berufsberater, die Schülerinnen und Schüler der Abgangsklassen ins Gespräch zu holen, zeigte sich, dass durch die Lockdown-Phasen die Berufsorientierung doch ziemlich gelitten hatte und der Beratungsaufwand sehr viel höher war als zu üblichen Zeiten.

Sie bieten mit „Der heiße Draht“ weiterhin Telefonsprechstunden zu bestimmten Berufsfeldern an. Wie gut wird das Angebot angenommen?

Klebe: Das ist ganz unterschiedlich. Vor allem wenn es sich um eine namhafte Firma handelt, ist die Nachfrage größer, bei anderen Berufen fällt die Beteiligung geringer aus.

Welche anderen Veränderungen gab es bei der Agentur für Arbeit sonst durch die Pandemie?

Klebe: Vor allem Kurzarbeit und Arbeitslosengeld waren natürlich große Themen. Grundsätzlich digitalisieren wir unsere Dienstleistungen immer weiter. So können Kundinnen und Kunden schon seit einiger Zeit Arbeitslosen-, Kinder- oder Kurzarbeitergeld auch online beantragen. Damit verringern wir die Abhängigkeit von persönlichen Vorsprachen. Das ist eine gravierende Veränderung.

Auf welchen Kanälen erreicht die Agentur für Arbeit heute junge Menschen?

Klebe: Die Bundesagentur für Arbeit ist gerade dabei, das Thema neu zu denken. Beispielsweise haben wir in der Vergangenheit versucht, junge Menschen über Instagram anzusprechen. Am Ende des vergangenen Schuljahres haben alle Agenturen in NRW eine Kampagne über Facebook, Snapchat und Spotify mit Audiolinks gestartet. Damit wollten wir gezielt Schülerinnen und Schüler erreichen, die ihren Abschluss zwar in der Tasche haben, aber noch nicht genau wissen, was im Anschluss für sie passiert.

Wie haben sich die Berufsinformationszentren in den vergangenen Jahren weiterentwickelt? Früher hatten die Einrichtungen einige Berufsbilder gar nicht auf dem Schirm.

Klebe: Wichtig ist zunächst, dass die Berufsinformationszentren wieder geöffnet sind und dort Berufsberatung, aber auch andere Veranstaltungen stattfinden können. Was die Berufsprofile betrifft, können Interessenten inzwischen zu fast jedem Beruf online auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit Informationen einholen. Außerdem gibt es Filme zu den einzelnen Berufen, wo meist anhand eines Unternehmens beispielhaft gezeigt wird, was die Ausbildung beinhaltet und was zu den Aufgaben der Auszubildenden gehört. In den Berufsinformationszentren sind all diese Informationen ebenfalls verfügbar und die Berufsberater beantworten bei Bedarf vor Ort ergänzend dazu Fragen.

Wie läuft die Kontaktpflege der Agentur für Arbeit mit den Unternehmen?

Klebe: Was den Ausbildungsmarkt betrifft, haben wir vor zwei Jahren in jeder Stadt, darunter auch Solingen, eigene Ausbildungsvermittler installiert, die gemeinsam mit den Unternehmen versuchen, die uns gemeldeten Ausbildungsstellen gezielt zu besetzen. Dabei arbeiten wir inhaltlich und räumlich eng mit den Berufsberatern zusammen. Wenn dann beispielsweise ein Berufsberater einen interessanten Anwärter für einen Ausbildungsplatz kennenlernt, geht er nur nebenan ins Büro des Kollegen, der sich um die Ausbildungsvermittlung kümmert. Von dort aus wird dann direkt der Kontakt zu einem Unternehmen hergestellt, die Bewerbungsunterlagen des Ausbildungsanwärters weitergeleitet und in manchen Fällen auch gleich ein Vorstellungsgespräch organisiert. Dieser Austausch mit den Betrieben klappt insgesamt ganz gut.

Was steht ganz oben auf der Wunschliste von Berufseinsteigern?

Klebe: Das sind zum einen die kaufmännischen Berufe, sprich Büro- oder Industriekaufmann. Die jungen Mädchen interessieren sich oft eher für die medizinischen Berufe wie zum Beispiel die Medizinische Fachangestellte oder die Zahnmedizinische Fachangestellte. Bei den Jungen dominiert immer noch der Kfz-Mechatroniker. Diese Berufe werden klassischerweise immer noch nachgefragt.

Wie hoch ist die Nachfrage nach einer Ausbildung im Verhältnis zu einem Studium?

Klebe: Der Trend zum hochwertigen Schulabschluss ist unverändert da. Von der Bergischen Universität weiß ich, dass es in einigen Studiengängen deutlich weniger Bewerber gibt. Insofern kann man nicht unbedingt sagen, dass die Schülerinnen und Schüler verstärkt ein Studium beginnen, wenn sie keine Ausbildung anstreben. Allerdings klagt auch das Handwerk darüber, dass es heute deutlich weniger Bewerbungen gibt als früher. Wir können nur Vermutungen anstellen, dass viele Bewerberinnen und Bewerber offenbar weder das eine noch das andere anstreben, da die Bewerberzahlen teilweise niedriger sind als vor der Pandemie. Ein Teil entscheidet sich offenbar für andere Alternativen wie etwa ein Freiwilliges Soziales Jahr oder einen Auslandsaufenthalt. Manche Schulabgänger gehen vielleicht auch erst mal in einen Job, um Geld zu verdienen. Das können wir allerdings nicht statistisch erfassen.

In welchen Bereichen − egal, ob Berufseinsteiger oder nicht − werden händeringend Fachkräfte gesucht?

Klebe: In der Pflege, Erzieherinnen und Erzieher in Kindertagesstätten und im Handwerk gibt es dringenden Bedarf. Gleiches gilt für die IT-Branche und die Gastronomie.

Welchen Tipp geben Sie jungen Menschen mit auf den Weg, die vor der Berufswahl stehen?

Klebe: Auf jeden Fall den Kontakt zur Berufsberatung aufnehmen! Wenn man eine Idee hat, was man machen möchte, ist es sehr ratsam, das noch mal mit jemandem zu besprechen. Und dazu eignet sich eine Berufsberatung sehr gut.