Campus Wuppertal Wie Millionen Tonnen Elektroschrott vermeidbar sind

Wuppertal · Karsten Schmidtseifer von der Bergischen Uni über das Recht des Kunden auf Reparatur von Elektrogeräten.

Berge von Elektroschrott könnten durch mehr Reparaturbemühungen gespart werden.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Jeder kennt die Situation: Wieder einmal geben Waschmaschine und Trockner gleichzeitig den Geist auf. Frustriert sprechen wir dann von Murphys Gesetz, und da die Reparatur in der Regel oft teuer ist, sehen wir uns schnell nach neuem Ersatz um und lassen bei Lieferung der Neuware unsere Altgeräte direkt mit entsorgen. An der Bergischen Universität forscht Karsten Schmidtseifer, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Konstruktion der Fakultät Maschinenbau und Sicherheitstechnik, an der Reparierbarkeit von Elektrogeräten und sagt: „Allein 2022 wurden weltweit 62 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert und davon eine Million Tonnen nur in Deutschland, mit steigender Tendenz. Wir reden von Wachstumsraten bei Elektroschrott in Deutschland von ungefähr zehn Prozent pro Jahr.“

Obwohl nach einer Eurobarometer-Umfrage von 2022 rund 77 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger ihre Elektrogeräte lieber reparieren ließen, als sie wegzuwerfen, passiert bis heute noch zu wenig. Das liege nach Schmidtseifers Meinung nicht daran, dass der Recyclinggedanke zu langsam reife. „Das Problem ist, die Menschen sind Gewohnheitstiere. Wenn die neuen Handys, Autos oder Waschmaschinen billig sind, dann kauft man neu. Aber jetzt, mit Inflation und den Kriegen, steigen die Preise und die Menschen merken, alles kostet auf einmal viel mehr. Dann versuchen sie, die Produkte länger zu halten, und so rückt das Thema mehr in den Vordergrund. Zudem haben wir auch heute eine andere Öffentlichkeitsarbeit.“

Die Europäische Kommission hatte im März 2023 einen Richtlinienvorschlag für ein Recht auf Reparatur vorgelegt, welches am 23. April 2024 vom Europäischen Parlament angenommen wurde. Aber was heißt das nun für die Verbraucher? Dazu Schmidtseifer: „Das ist wieder einmal eine Änderung on top auf die 2009 beschlossene Ökodesignrichtlinie, die sogenannte 2009/125/EG. Die wird nun alle paar Jahre wieder angepasst.“ In der letzten Änderung 2022 wurde bereits die Reparierbarkeit von ein paar Produktgruppen spezifiziert. „Diese Änderung geht nun noch weiter“, fährt er fort. „Der Hersteller wird nun verpflichtet, Angaben zur Reparaturleistung zu machen, das heißt, er muss nun Anleitungen herausgeben, damit man vielleicht auch selber die Reparatur durchführen kann.“ Ebenfalls neu sei eine Art Gutscheinprogramm, welches sich schon in Österreich bewährt habe. Danach könne der Kunde sich im Zweifel vom Staat dann etwas von der bezahlten Reparatur zurückholen.

Wenn die gesetzliche Gewährleistung also abgelaufen ist, können nun Verbraucher eine einfachere und kostengünstigere Reparatur von Defekten bei nahezu allen Geräten verlangen, die technisch reparierbar sein müssen. „In der aktuellen Regelung sind Weißwaren dabei (Weißwaren sind bestimmte Klassen von Elektrogroßgeräten wie etwa Waschmaschinen, Trockner oder Kühlschränke, Anm. d. Red.), Monitore, Tablets und Smartphones“, erklärt der Wissenschaftler und fährt fort: „Am Horizont steht schon die nächste Änderung der Ökodesignrichtlinie, das ist dann die ESPR (Ecodesign for Sustainable Products Regulation). Sobald die in Kraft tritt, sind eigentlich alle Produkte davon betroffen, außer Lebensmittel, Arznei und Pflanzen. Die kommt sicherlich im nächsten Jahr.“

Alle Hersteller werden fortan verpflichtet, Angaben über ihre Reparaturleistungen und die anfallenden Kosten zu machen. Dazu wird auch eine europäische Reparaturplattform eingerichtet. „Die Regulierung für Ersatzteile gibt es schon seit 2022. Da werden Angaben gemacht, wie schnell ein Ersatzteil verfügbar sein muss, und der Preis darf auch nur x Prozent vom Neupreis sein. Neu dabei ist, dass es jetzt eine zentrale Übersicht gibt, wo ich mich als Kunde über den mir am nächsten gelegenen Betrieb erkundigen kann, der die Reparaturen durchführen darf.“

Die gesellschaftliche Veränderung sieht Schmidtseifer bereits in vollem Gange und sagt: „Wir sehen an den ganzen Aktionen der Jugend, also etwa Fridays for Future, dass das Interesse an Veränderung groß ist, denn die jungen Leute wollen noch etwas von der Erde haben. Und wir sehen es auch andersherum an den gemachten Gesetzen.“

Die Methoden sind da,
doch sie werden nicht genutzt

Schmidtseifer stellt aber auch fest, dass die Ergebnisse, die wir bereits haben, falsch vermittelt werden, denn das Thema werde medial aufgebauscht und es würden nur einzelne Positionen herausgehoben. Man erfahre leider nie das große Ganze. Er nennt ein Beispiel: „Ich habe in diesem Jahr eine Abschlussarbeit betreut, in der untersucht wurde, wie man Pedelecs nachhaltiger gestalten kann. Darin wurden sämtliche Methoden zur Steigerung der Nachhaltigkeit, die es so gibt und die tatsächlich vorhanden sind, erörtert. Heraus kam, wenn man alle Methoden, die wir aktuell haben, auf so ein Fahrrad anwenden würde, könnten wir, Stand heute, 72 Prozent CO2 bei der Produktion einsparen. Aber wir machen es einfach nicht.“

Eine Elektroreparaturwerkstatt in Wuppertal wirbt bereits mit dem Slogan: „Reparieren statt wegwerfen“ und schreibt: „Wir setzen uns für Nachhaltigkeit und gegen Verschwendung wertvoller Ressourcen ein“, und bietet die Reparatur von Geräten aller Hersteller an. Nun ist die Reparatur manchmal aber auch knifflig, weil die Kennzeichnungen fehlen. „Was man da machen müsste, steht eigentlich schon in der Richtlinie drin“, sagt Schmidtseifer. „Die Reparatur muss mit handelsüblichen Werkzeugen zu machen sein. Aber dazu gehört zum Beispiel auch schon der Lötkolben, und das ist nun mal nicht für jeden Laien machbar. Es fehlt uns da eine eindeutige Definition, wie die Reparaturen zu erfolgen haben, und dann aber auch eine strikte Umsetzung mit Strafen, denn bis jetzt kommen eigentlich alle Hersteller damit durch.“

Für produzierende Unternehmen entstünden nun durch die neuen Richtlinien zusätzlich ordentliche Kosten, und das nähmen die so natürlich nicht klaglos hin, erklärt Schmidtseifer.