Wo Weltarchitektur im Tal steckt
Viele Wuppertaler Gebäude haben etwas mit international bekannten Bauten gemein. Architekt Hans Christoph Goedeking nennt einige Beispiele.
Wuppertal. Wuppertal hat ein kleines Stückchen Eiffelturm direkt vor der Tür. Nur eben in anderer Form. Die Müngstener Brücke war zur Bauzeit 1897 eine klare Antwort auf den Eiffelturm, der acht Jahre zuvor in Paris zur Weltausstellung errichtet worden war. Nur eben liegt der Müngstener Eiffelturm auf der Seite — und ist dann mit seinen 465 Metern länger als der Eifelturm mit seinen 324 Metern hoch ist.
Gleichermaßen steckt auch im Wuppertaler Stadtbild an vielen Stellen ein Stück Weltarchitektur versteckt. Die Zusammenhänge kann Architekt Hans Christoph Goedeking, der sich in Wuppertal unter anderem mit dem Bau der Junior Uni verewigt hat, offenlegen.
„Die Olivetti-Hochhäuser in Frankfurt (1972) von Egon Eiermann sind ein formaler Vorläufer des Sparkassenturms“, nennt Goedeking ein Beispiel. Die Wurzeln habe die Hängekonstruktion aber in Wuppertal, wo sie von den Architekten-Brüdern Rasch erfunden wurde.
Die Wuppertaler Friedhofskirche (1898) ist unverkennbar mit der Ringkirche (1894) in Wiesbaden verwandt. Beide entwarf Architekt Johannes Otzen. Spätromanische Bauelemente lassen sich an beiden Kirchen finden und beide Kirchen sind nach dem sogenannten „Wiesbadener Programm“ streng gegliedert, sollen eher Versammlungshäuser als Gotteshäuser im katholischen Sinne darstellen. Da das Abendmahl inmitten der Gemeinde stattfinden soll, wird der Altar zum Abendmahltisch.
Wuppertal kann auch Hollywood. Das zeigen die Häuser des Architekten Richard Neutra, der das Haus Pescher (1969) am Freudenberg und das Haus Kemper (1965) am Dorner Weg — wo Neutra 1970 starb — entwarf. „Das ist wirklich Weltarchitektur in Wuppertal“, sagt Goedeking. Neutra, bedeutender Architekt der Moderne, entwarf zwischen 1927 und 1929 das ikonische „Lovell Health House“ in den Hollywood Hills in einer damals noch sehr seltenen Stahlkonstruktion aus vorgefertigten Teilen mit großen Glasflächen. Neutras Gebäude werden dem „International Style“ zugeordnet.
Eine der ältesten Ingenieurkonstruktionen in der Baugeschichte sind die römischen Bogenbrücken, die zum Beispiel in der Pont Julien in der französsichen Provence zu sehen sind und aus dem Jahr 3 vor Christus stammen. Ihr Geist lässt sich in den Viadukten im Wuppertaler Stadtgebiet erkennen. Ihren Höhepunkt findet die Bauweise in der Göltzschtalbrücke in Sachsen — sie ist die größte Ziegelsteinbrücke der Welt.
Die Schwimmoper, 1955 bis 1957 errichtet, ist durch ihre geschwungene Form und das hängende Dach mit vielen anderen Gebäuden verwandt. „Diese Konstruktionen waren damals im Trend. Das lag in der Luft“, weiß Goedeking. Ähnliche geschwungene Dächer finden sich etwa am Feierabendhaus Knapsack oder dem Teepot in Rostock. Das berühmteste Gebäude mit hängendem Dach ist aber die Kongresshalle in Berlin, die wegen ihrer Muschelform im Volksmund auch gerne „schwangere Auster“ genannt wird. Schwimmoper-Architekt Friedrich Hetzelt erhielt 1969 den Ehrenring der Stadt Wuppertal. Trotz seiner Vergangenheit. So baute er etwa Hermann Görings Landsitz Carinhall (1936) und zeichnete für den Umbau des Prinz-Albrecht-Palais in Berlin zur Gestapo-Zentrale (1941/42) verantwortlich.
Ohne die Amerikaner und ihre Kleebatt-Konstruktionen bei den Freeways gäbe es wohl auch kein Sonnborner Kreuz, ist sich Hans Christoph Goedeking sicher. Bei der ersten Teilfreigabe 1972 staunte die Fachwelt über das komplexe Bauwerk mit seinen vielfältigen Verteileraufgaben. Aufwändig war der Bau des Sonnborner Kreuzes auch deswegen, weil es mitten in ein dicht besiedeltes Gebiet hineingebaut wurde. Das beherrschen die Amerikaner ebenso gut, was sich an den Luftaufnahmen der riesigen Knotenpunkte zeigt, wie sie etwa in Los Angeles zu sehen sind. Erfunden hat’s der amerikanischen Bauingenieur Arthur Hale, der sein Kleeblatt-Kreuz 1916 patentieren ließ. Heute gibt es neben Spezialformen wie in Sonnborn auch Spaghetti-Kreuze, Doppeltrompeten, Windmühlen, Turbinen und Malteserkreuze.
Oswald Mathias Ungers hat in der Mozartstraße Wohnungen — etwa das rote Haus — gebaut. „Mit sehr systematischen, programmatischen Grundrissen“, sagt Goedeking. Ungers zeichnete auch für den Massenwohnungsbau im Märkischen Viertel in Berlin verantwortlich und baute auch die Residenz des deutschen Botschafters in Washington D.C. (1994) und das Wallraff-Richartz-Museum (2001) in Köln.