Serie Diese Orgel ragt in den Himmel

Serie | Wuppertal · Die Orgel ist das Instrument des Jahres 2021 und in Wuppertal gibt es noch immer eine große Vielfalt an sehenswerten und hörenswerten Orgeln. Wir stellen das Instrument in einer Serie vor. Diesmal jene in der Sonnborner Hauptkirche.

Kirchenmusikerin Hanna Krieger an der Orgel der Sonnborner Hauptkirche.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Hinter dem mit Schnitzwerk reich verzierten Prospekt der Orgel erklingen in der Sonnborner Hauptkirche mehr als 1200 Pfeifen in 32 Registern. Das von der Orgelwerkstatt Paul Faust gebaute Instrument wurde 1928 kurz nach der Einweihung der Kirche in Betrieb genommen. Sein imposantes Gehäuse weist Stilmittel von Jugendstil und Art Deco auf und wurde in konkaver Form außergewöhnlich breit in die Empore hinein gebaut. Die Orgel füllt den Raum bis zum Deckengewölbe und scheint in den Himmel hineinragen zu wollen.

Das zierliche, im neobarocken Stil gebaute Rückpositiv hingegen ist nur mit einem Register ausgestattet und stellt über zwei Säulen eine Verbindung zur darunter liegenden Kanzel her. Kirche und Orgel stehen seit 1992 unter Denkmalschutz. „Diese Orgel ist eins der wenigen verbliebenen Instrumente seiner Zeit und daher umso schutzbedürftiger“, sagt Elmar Sauer, Orgelsachverständiger der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der klanglichen Substanz der Orgel attestierte er in einem Gutachten 2018 einen guten Zustand.

Organistin Hanna Krieger stellt dies sogleich unter Beweis. Hell und klar lässt sie das Instrument beim schnellen Prélude des „Te deum“ von Marc-Antoine Charpentier erklingen. Ruhig und besonnen geht es mit einem Werk aus der Romantik von Felix Mendelssohn-Bartholdy weiter, anschließend erklingt leichtfüßig und fröhlich Barockmusik von G.F. Händel. Hier kann die Orgel jubeln und die hohen Töne klingen äußerst filigran. Diese fast 100 Jahre alte Orgel hat einen schönen,  unverwechselbaren Klang. Die Trompeten allerdings klingen verstimmt und bei Tuttiklängen sind Kontur und Struktur der einzelnen Register nicht mehr differenziert zu hören. Schon seit Jahrzehnten macht der Zustand der Pneumatik Probleme. Ende der 1970erJahre wurde sogar erwogen, eine neue Orgel anzuschaffen, man behielt aber glücklicherweise die historische Faust-Orgel.

Störungen in der pneumatischen Traktur machen Probleme

„Fausts Orgelwerke sind auf Grund ihrer hohen technischen und klanglichen Qualität von herausragender Bedeutung“, sagt Elmar Sauer, und er betont die Besonderheit des vollständig auf Pneumatik beruhenden Traktursystems dieser Orgel. Das sorgt allerdings für eine Verzögerung zwischen Tastendruck und Pfeifenansprache, die Organisten beim Spiel beachten müssen.  In den letzten Jahren kam es immer häufiger zu Störungen in der pneumatischen Traktur. Vor allem der Verschleiß vieler kleiner Ventil-Ledertaschen sorgte für Probleme, wie unerwünschte Heuler oder den Ausfall ganzer Pfeifen. 2017 wurden außerdem erheblicher Schimmelbefall und viele weitere Schäden deutlich. Der Sachverständige empfahl daher die umfassende Sanierung der wertvollen Orgel, denn „aus kunsthistorischer Sicht stellt die Bedeutsamkeit des Raumes und der Orgel einzeln, aber auch als Ensemble einen unschätzbaren Wert dar“, so Elmar Sauer.

Eine Fundraising-Gruppe wurde aktiv, um die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Bei Orgelcafés, Benefizkonzerten und Orgelführungen kamen Gelder zusammen. Auf einen Spendenbrief vom Herbst 2020 folgten 22 000 Euro an Spenden, die zeigen welchen Stellenwert die Faust-Orgel für viele Menschen in Wuppertal hat. Inzwischen wurden auch Fördergelder bewilligt. Aus einem Sonderprogramm des Bundes für denkmalpflegerische Arbeiten gibt es für die Sanierung  44 692 Euro. Der aktuelle Stand von beeindruckenden 95 000 Euro stellt die baldige Sanierung der Orgel in Aussicht.

Darüber freut sich Hanna Krieger. Die Sopranistin und  Gesangsdozentin ist  mit Leib und Seele Kirchenmusikerin. „Ich liebe diese Orgel und darf seit mehr als 30 Jahren auf ihr spielen“, sagt sie und hebt den warmen, von der Romantik geprägten Klang der Faust-Orgel hervor.  Die Organistin Anja Santer hat schon als Kind davon geträumt, eines Tages auf diesem Instrument spielen zu dürfen.

Mit knapp 20 Jahren übernahm sie Vertretungen auf der Orgel, machte auf diesem Instrument ihre Ausbildung und spielt seit 2010 hier in den Gottesdiensten. „Diese Orgel hat mich in ihrer Vielseitigkeit immer fasziniert. Von Klassik, Barock und Romantik über Filmmusik bis zu Hard-Rock, Musical und Gospel ist sehr viel möglich“, sagt sie und berichtet, dass sie anlässlich einer Hochzeit auf Wunsch des Brautpaares auch schon einen Tangogespielt hat.