Adventskalender: Wir hier im Quartier Wuppertal Herbringhausen — Ländliche Ruhe und gelebte Dorfgemeinschaft

Wuppertal · Her­bringhausen zählt zu den wenigen Ortschaften Wuppertals, in denen das Dorfleben noch einmal wahrhaft aufblüht.

Der 2. Vorsitzende des Bürgervereins Herbringhausen, Stefan Bendix.

Foto: Hermine Fiedler

Urbanes Leben zieht in vielen Großstädten Anonymität mit sich. In dicht besiedelten Wohngegenden wird es schnell zur Gewohnheit, seine Nachbarn nicht zu kennen. Auf dem Dorf hingegen wird Gemeinschaft gelebt. Man kennt und hilft sich untereinander, feiert Nachbarschaftsfeste und bewahrt Traditionen. Her­bringhausen zählt zu den wenigen Ortschaften Wuppertals, in denen das Dorfleben noch einmal wahrhaft aufblüht.

Wer an Wuppertal denkt, dem fallen zumeist die Schwebebahn, die vollen Innenstädte und die Historische Stadthalle ein – eine Großstadt mitten im Bergischen Land. Fährt man von Elberfeld aus an Ronsdorf vorbei in den Südosten Wuppertals, finden Natursuchende einen Rückzugsort in der ländlichen Idylle Herbringhausen. Mit seinen Ortslagen Wefelpütt, Hastberg und Windgassen scheint es ein Dorf, wie es im Buche steht, zu sein. Umgeben von Wäldern, weiten Feldern, Pferdekoppeln und Hügeln lockt Herbringhausen auch einige Wanderer an.

Am neuen Ofen lebt das traditionelle gemeinsame Brotbacken in Herbringhausen wieder auf.

Foto: Matthi Rosenkranz

Östlich der Hofschaft Herbringhausen erstreckt sich das Naturschutzgebiet Herbringhauser Bachtal, westlich liegt das Naturschutzgebiet Marscheider Bachtal. Beide münden in der Wupper. Östlich zur Ortschaft Windgassen liegt die um 1900 zur Trinkwasserversorgung errichtete Herbringhauser Talsperre und gehört zu den beliebtesten Anziehungspunkten für Spaziergänge.

„Da ist es grün und da bleibt es grün“, ist sich Andreas Bialas sicher. Seit 2020 ist er der Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk Langerfeld-Beyenburg, zu dem das Wohnquartier Herbringhausen gehört – ein Ort, wo „jeder jeden kennt, wo man sich untereinander hilft, zusammensteht und die Stärken des anderen zu schätzen weiß“, so beschreibt der Vorsitzende des Bürgervereins, Frank Rützenhoff, sein Heimatdorf. Mit 16,91 Quadratkilometern ist Herbringhausen flächenmäßig das größte Wohnquartier Wuppertals.

„Von den Einwohnerzahlen jedoch ziemlich klein“, stellt Rützenhoff fest. Der 58-jährige Wuppertaler wohnt seit jeher in der Hofschaft Wefelpütt und kann sich nicht vorstellen, woanders hinzuziehen. „Ich bin hier aufgewachsen und fühle mich dem Ort sowie den Menschen hier verbunden“, gesteht Rützenhoff, der in diesem Jahr das Amt des Vorsitzenden im Bürgerverein Herbringhausen übernommen hat. Engagiert hat er sich schon immer gerne für seine Nachbarn. „Das liegt in der Familie“, denn schon sein Vater war etwa 30 Jahre Bürgervereinsvorsitzender.

Obgleich Herbringhausen ländlich geprägt ist, gibt es keine landwirtschaftlichen Höfe mit Äckern und Tieren zur Nahrungsversorgung. „Früher gab es rund zehn Landwirte in der Gegend, die Gemüse und Obst anbauten oder etwa Kühe gehalten haben“, erinnert sich Rützenhoff. Stattdessen seien die ehemaligen Bauernhöfe mittlerweile Pferdeställe, die nicht mehr zur Versorgung, sondern der „Freizeitgestaltung der städtischen Gesellschaft dienen“. Felder und Wiesen seien zu klein, um traditionelle Landwirtschaft zu betreiben.

Die Dorfgemeinschaft hält den Gedanken hoch, sich wieder mehr selbst zu versorgen. Das sei ökologisch und nachhaltig wertvoll, aber auch von praktischem Nutzen, denn „Herbringhausen hat keinen eigenen Supermarkt mehr. Es ist ein stückweit auch wieder zeitgemäß, sich selbst zu versorgen“, überlegt der Vorsitzende. Durch seinen Förderantrag war es 2023 möglich, 35 junge Obstbäume auf eigenen Grundstücken, auf gemeinsam genutzter Fläche oder auch im Garten von Mietobjekten zu pflanzen. Verschiedene Apfelsorten, Birnen, Pflaumen- und Zwetschgenbäume standen zur Auswahl. Auf ehemaligen Landwirtschaftsflächen haben Mitglieder des Bürgervereins Streuobstwiesen gepflanzt.

Traditionelles gemeinsames Brotbacken wiederbelebt

Das Leben in den Dörfern Herbringhausens wurde jüngst mit einem altdeutschen Brotbackofen um eine wertvolle Tradition bereichert. Während der Coronapandemie kam die Idee zu diesem Projekt erstmals auf, denn der Wunsch nach mehr sozialer Interaktion im Dorf war groß. Durch einen Zuschuss aus dem Förderprogramm „Heimat-Check“ konnte die Anschaffung im November realisiert werden. Das traditionelle gemeinsame Brotbacken wird in der Dorfgemeinschaft wiederbelebt. Dafür gibt es eine Whatsapp-„Brotbackgruppe“ mit über 50 Personen, um sich einmal im Monat zu treffen.

In der Nachbarschaft betreuen einige Haushalte Bienenvölker und bieten eigenen Honig an. Stefanie Sabrowske lebt ebenfalls in Wefelpütt und kümmert sich um sechs Bienenvölker. „Zwei meiner Nachbarn haben noch einmal jeweils vier Völker. Das Gebiet ist dafür hier aber auch ideal“, ist sich Sabrowske sicher, schließlich gibt es in der Gegend einige blühende Bäume und wenig gespritzte Flächen, da keine Landwirtschaft betrieben werde. Es handle sich insbesondere um Heuwiesen. Die Infrastruktur sei laut Andreas Bialas eine Herausforderung.

Auch der Bürgervereinsvorsitzende bestätigt: „Wir sind zum Beispiel nicht an die Kanalisation angeschlossen. Keine Gasleitungen, kein Kabelfernsehen. Um Internet und Telefon haben wir uns selbst gekümmert“, zählt Rützenhoff die Schwachstellen auf. Das Glasfasernetz sei schon seit zwei Jahren in Planung und wurde nun wieder um ein Jahr verschoben. „Wir haben uns nicht auf die Stadt verlassen, die diese Infrastruktur bei uns nicht hinbekommen hat. Man vergisst uns hier draußen ein wenig“, bedauert Rützenhoff. Bevor junge Menschen aufgrund von Mangelversorgung wegziehen, habe die Dorfgemeinschaft Lösungen finden müssen. „Wir packen gemeinsam an und das schweißt zusammen. Wir schaffen uns unser eigenes lebenswertes Quartier“, versichert Rützenhoff.

Stefanie Sabrowske hat 2003 mit ihrem Mann ein Grundstück in Wefelpütt gekauft und ist 2005 in das neugebaute Haus gezogen. „Wir wollten außerhalb und ländlich wohnen, deswegen war das für uns der Jackpot“, merkt Sabrowske an. Von der Dorfgemeinschaft habe sie zunächst nichts gewusst, jedoch stellte sie schnell fest: „Man kann hier jeden fragen, wenn man Hilfe braucht. Die Leute kümmern sich umeinander.“ Die Nachbarschaft sei mittlerweile sehr gemischt. Einige wohnen ihr Leben lang in den Ortschaften Herbringhausens, andere seien neu dazu gezogen. „Es gibt immer noch genug Menschen, die gerne in ländlichen Gebieten leben. Die Leute, die hierherziehen, wissen warum.“ Rützenhoff ergänzt: „Bei uns ist die Welt eben noch in Ordnung.“