Interview Wuppertaler Bundestagsabgeordnete Anja Liebert (Grüne) im Interview: „Wir haben sehr viel erreicht“

Wuppertal · Und nennt im Gespräch auch etliche positive Aspekte der gescheiterten Ampel-Koalition.

Anja Liebert erläutert die Anliegen der Grünen im WZ-Interview.

Foto: JA/Andreas Fischer

Die Bundestagsabgeordnete Anja Liebert schildert im WZ-Gespräch die Atmosphäre in der nunmehr zerbrochenen Ampel-Koalition und wie sie den aktuellen Wahlkampf angeht.

Frau Liebert, der große Bruch beschäftigt gerade die Menschen im Land. War das Ende der Ampel richtig?

Anja Liebert: Wir als Grüne hätten die Koalition jetzt nicht platzen lassen. Bei allen Diskussionen, die wir mit der FDP hatten. Die fachliche Zusammenarbeit war gut, wir haben immer Kompromisse gefunden, etwa bei der Baugesetzbuch-Novelle oder beim Thema Erneuerbare Energien, das ich mitverhandelt habe. Mal hat der eine mehr an Inhalten bekommen, mal der andere, aber es ging immer um Lösungen, die wir zum Gelingen bringen wollten.

Aber das ging
irgendwann nicht mehr?

Liebert: Irgendwann kam der Punkt, an dem wir gesehen haben: Wir haben keine Gestaltungsmöglichkeit mehr im Haushalt, weil der Finanzminister blockiert. Christian Lindner hat immer wieder provoziert: und noch eine Schippe drauf, und noch eine Schippe drauf. Bis es irgendwann nicht mehr ging.

War das alles Absicht?

Liebert: Zumindest kommen jetzt nach und nach die Szenarien ans Tageslicht, wonach die FDP das von langer Hand vorbereitet haben soll und eigentlich nur einen Punkt suchte, an dem sie ihren Ausstieg verkünden wollten.

Bei Ihnen gab es solche spalterischen Gedankenspiele also nicht?

Liebert: Wir hatten auch Fraktionssitzungen, Sondersitzungen et cetera, aber in unseren internen Gesprächen war nie davon die Rede, dass wir darauf hinwirken, dass das auseinanderfliegt. Bei uns war immer der Tenor: Lasst es uns versuchen, lasst es uns in der regulären Zeit bis zum Spätsommer 2025 gemeinsam zu Ende bringen. Und vor allem: Lasst uns bitte, bitte, bitte, gemeinsam den Haushalt 25 machen.

Das hat ja nicht hingehauen.

Liebert: Und das wird sich leider auch in Wuppertal niederschlagen: Es gibt viele Träger und viele Projekte, die jetzt einfach keine Sicherheit haben, wie es für sie weitergeht. Der notwendige Aushandlungsprozess im Haushalt findet jetzt nicht statt. Es ist eigentlich fahrlässig von der FDP, das jetzt so zu machen. Warum sie das – strategisch gesehen – machen, verstehe ich nicht. Nützen dürfte es ihnen nicht. Neue Botschaften, um über die fünf Prozent zu kommen, haben sie nicht. Sie sind rückwärts orientiert.

Was sind denn die neuen Botschaften der Grünen?

Liebert: Wir wollen das Thema Klimaschutz behandeln, auch wenn es nicht mehr das Topthema ist, auch nicht bei jungen Menschen. Wir wollen das mit einer Wirtschaftspolitik zu einer Transformation verbinden, die wirklich in die Zukunft trägt. Ganz wichtig ist uns auch das Thema Sozialer Zusammenhalt. Robert Habeck hat immer schon geguckt: Wer profitiert von den sinkenden Preisen der Erneuerbaren Energien? Oder auch: Wie kriegen wir die Strompreise weiter runter? Das ist etwas, was direkt bei jedem im Portemonnaie ankommt.

Auch die Außenpolitik
der Ampel war grün.

Liebert: Annalena Baerbock hat drei Jahre lang als Außenministerin eine sehr wichtige Führungsrolle in der Bundesregierung übernommen. Ihre Verantwortung ist es, Stabilität und Sicherheit in einem vereinigten Europa anzustreben. Deutsche Alleingänge sind keine Perspektive der Grünen. Wir wollen den europäischen Gedanken nach vorne bringen, um im europäischen Verbund gemeinsam stark zu sein und zu wachsen – auch und insbesondere angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

Nochmal zu Herrn Habeck: Sie sind jetzt alle Team Robert?

Liebert: Auf dem Parteitag wurde deutlich, dass es um das Team Robert geht, nicht um Robert allein. Auch Annalena Baerbock hat gesagt: Wir machen das gemeinsam. Unser Spitzenkandidat begibt sich in die Auseinandersetzung mit dem Spitzenkandidaten der Union, Friedrich Merz. Unser Kandidat hat einen guten Draht zu den Menschen, kann Dinge gut erklären und eine Zukunftsperspektive gut darstellen. Bei Friedrich Merz sehe ich nur Vergangenheit: Er möchte ja zurück in die 80er, vielleicht noch 90er.

Nun geht es in den
Winterwahlkampf.

Liebert: Es wird sehr spannend, die richtigen Formate zu finden, um wirklich die Ideen der Menschen aufzunehmen und in Diskussionen zu kommen.

Sehen Sie Erfolge, die Sie den Bürgern dann vermitteln können?

Liebert: Wir haben sehr viel erreicht in der Ampel-Regierung: Selbstbestimmungsgesetz, Chancenaufenthaltsrecht, Doppelte Staatsbürgerschaft, Paragraf 219a (Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche) abgeschafft, was früher nie denkbar gewesen wäre. Robert Habeck hat sich aufgerieben, um die Energieversorgung zu gewährleisten, dass wir nicht frieren im Winter, und zugleich den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben, was keiner in der Form für möglich hielt. Gleichzeitig der Ausstieg aus der Kohlekraft und der Atomenergie.

Was ist jetzt noch machbar in der Restzeit der Ampel?

Liebert: Es wird ein halbes Jahr lang eine Unsicherheitssituation geben. Wir versuchen im Bundestag noch ein paar Eckpfeiler gemeinsam zu verabschieden: Ein Gesetz, um die Widerstandsfähigkeit des Verfassungsgerichtes zu stärken, auch die finanzielle Sicherung des Deutschlandtickets sollte ja noch kommen. Aber vielmehr wird da nicht mehr gemeinsam mit der CDU gemacht.

Ihr Fokus liegt also
schon klar auf der Wahl.

Liebert: Ich gucke, wie gesagt, nicht dauernd auf die Umfragen. Das Wahlverhalten der Menschen ist volatiler geworden. Bei der letzten Wahl hat Armin Laschet an der falschen Stelle gelacht und das hat ihn vielleicht das Kanzleramt gekostet.

Das macht Ihren Job nicht
gerade einfacher, oder?

Liebert: Ich warte jedenfalls nicht darauf, dass andere Fehler machen, sondern ich bin hier in Wuppertal unterwegs, um die Menschen von unseren grünen Ideen zu überzeugen. Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung sind meine Kernthemen. Umso mehr freut mich, wie viele Fördermittel vom Bund hier in der Stadt sinnvoll eingesetzt werden, etwa für ein neues Wärmekonzept im Grünen Zoo, für das Projekt Innen-Band-Stadt, kleinere, aber ebenso wichtige Dinge wie die Jakobstreppe und den Weyerbuschturm. Für die Zukunft ist aber noch viel zu tun.