Handwerk Friseur-Gipfel: „Es geht darum, Existenzen zu retten“
Wuppertal · Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh lud zu einem digitalen Branchen-Austausch ein.
Eine „Kopfsache“ - nicht nur im übertragenden Sinne. Auch wenn Helge Lindh, Wuppertaler Bundestagsabgeordneter, seinen Friseur-Gipfel scherzhaft so einleitete, herrschte in den folgenden Stunden doch Konsens darüber, dass der Branche aktuell vielmehr Kopfzerbrechen beschieden ist. Rund zwei Wochen vor der auflagenbedingten Öffnung der Friseursalons traf der SPD-Politiker sich in digitaler Form mit Betroffenen aus diesem Handwerk, um Auswirkungen der Pandemie zu diskutieren.
Zunächst stellte Lindh die Bedeutung der Branche heraus. Sie sei mehr als nur Kosmetik, es gehe um Frisuren als Teil der Identität. Überdies seien die Salons für viele „Orte der sozialen Begegnung“, und auch als Perücken-Ausstatter für Krebserkrankte bedeute das Handwerk viel. Auch aus diesen Gründen wollte sich der Abgeordnete Probleme mit der akuten Situation anhören.
TV-Friseur kritisiert, dass Hilfen zurückgezahlt werden müssen
Nach einem Jahr kompletter Veränderung „geht es darum, Existenzen zu retten, um kleine und größere Schicksale“, führte Andreas Wendt aus. Der TV-Friseur hatte sich zuletzt öffentlichkeitswirksam für die Branche eingesetzt. Den Gipfel nutzte er, um zu kritisieren, dass fast die gesamte Soforthilfe zurückgezahlt werden müsse. „Ist das das, womit wir die Kleinen schützen?“, fragte er.
Auch Danielé und Anna-Maria Scafarti, die zuletzt in Fernsehen und Sozialen Medien auf die Situation aufmerksam gemacht hatten, äußerten sich klar: „Wir möchten gemeinsam die Stimme laut machen.“ Sie zeigten sich entrüstet darüber, dass aller Warnungen vor einer zweiten Welle zum Trotz im Sommer nicht vorausgeplant worden sei. Viele Friseurinnen und Friseure aus ganz Deutschland und speziell Lindhs hiesigem Wahlkreis waren der Einladung zum Gipfel gefolgt und zeigten zugleich Dank für die Austauschmöglichkeit und Frust über ihre Situation.
Zu den vielen Fragen in der Ausspracherunde gehörte die, warum nur 90 Prozent der Fixkosten übernommen würden. Lindh erklärte, das eine komplette Deckung die Kosten für den Staat nochmals in die Höhe treiben würde. Auch könne man keine Unterschiede zwischen den Wirtschaftszweigen machen; die Bürokratie sei langsam und brauche daher jetzt einfache Lösungen.
Doch in vielen Punkten gab es Übereinstimmung. So kam der Wunsch auf, die Mehrwertsteuer in diesem Bereich auf 7 Prozent zu begrenzen; „es braucht einen längeren Prozess, um strukturelle Probleme ins Lot zu bekommen“, befand ein Friseur. Lindh erkannte an: „Es wurde von Woche zu Woche geplant, aber nicht längerfristig. Das ist ein elementares Problem.“ Auch bezogen auf die kommenden Regelungen nach der Öffnung am 1. März zeigte er Verständnis. 10 Quadratmeter müssen dann pro Person im Salon zur Verfügung stehen. Zwar liege diese Entscheidung in anderer Hand, er wolle aber „Stimmung machen“, um darauf einzuwirken.
Das fehlende Geld, das einen Teil der Branche in die Schwarzarbeit treibt, möchte Lindh in Zukunft durch ein anderes System bereitgestellt sehen. Er sprach sich für eine Änderung der Sozialversicherung aus. Selbstständige müssten einbezogen werden, sodass sie, wie im jetzigen Fall, nicht nur mit der Grundsicherung leben müssen. Eine solche Absicherung hält er für effizienter als beispielsweise den Vorschlag eines Friseurs, das Handwerk als Kunst zu betrachten und so zu finanzieren.
Helge Lindh will nun im Bundestag die gesammelten Erfahrungsberichte anbringen. Zwar würden die Abgeordneten in die oft entscheidende Runde aus Kanzlerin und Ministerpräsidenten nicht einbezogen, dennoch will er im Parlament, in der Landesgruppe und in der Regierung entsprechend einwirken. In die komplexen politischen Prozesse „müssen Sie hinein“, ermutigte er die Anwesenden zum Weiterführen ihres Einsatzes.