Was glauben Sie denn? Wuppertaler Kirchenkolumne: Dann wollen wir schaffen…

Wuppertal · Zigarettenkippen auf dem Bürgersteig, die Verpackung des Schokoriegels einfach fallengelassen, die Straße voller Schlaglöcher, marode Schrottimmobilien drohen einzustürzen – dieses Florilegium urbaner Realitäten prägt viele Städte im Westen Deutschlands.

Dr. Werner Kleine, Pastoralreferent Werner Kleine vor dem großen Bildschirm mit Pfarrbüro24.de

Foto: Fischer, Andreas H503840

Wuppertal ist da nicht allein – Gelsenkirchen, Oberhausen, Ludwigshafen: die Liste der Städte, die ihre besten Zeiten hinter sich zu haben scheinen, ist lang. Man fühlt sich abgehängt, zurückgeblieben, nicht gesehen von „den Eliten“, wer auch immer diese Eliten sein mögen.

Im Osten Deutschlands haben sich viele Städte nach der Einheit herausgeputzt: Dresden, das Florenz an der Elbe, erstrahlt in altem Glanz, Leibniz ist eine Reise wert und selbst Görlitz am äußersten östlichen Rand Deutschlands hat sich herausgeputzt. Es sind lebenswerte Orte geworden. Mittlerweile sind auch die materiellen Unterschiede, was Lohn und Rente betrifft, immer geringer geworden oder teilweise sogar verschwunden. Und trotzdem fühlt man sich abgehängt, zurückgeblieben, nicht gesehen von „den Eliten“, wer auch immer diese Eliten sein mögen.

Drüben wie hüben besteht eine fundamentale Einheit in der Befindlichkeit des Abgehängtseins. Vater Staat scheint seine Kinder alleine gelassen zu haben. Was glauben Sie denn?

Tatsächlich muss eine Haltung, die auf Vollumsorgung angelegt ist, in einer Demokratie enttäuscht werden. Die Demokratie lebt vom mündigen und erwachsenen Bürger, dessen Sinne, wie es der Hebräerbrief sagt, „durch Gebrauch geübt sind, Gut und Böse zu unterscheiden“ (Hebr 5,14) Stattdessen scheinen viele aber nach einer – im wahrsten Sinn des Wortes – kindischen Verantwortungslosigkeit zu streben, die die Sorgen, Herausforderungen und Zumutungen des Alltages an eine höhere Autorität wegdelegieren möchte. Möglicherweise liegt hier der Grund, dass gegenwärtig jene Parteien zunehmenden Zulauf verzeichnen, die – mit oft leeren Versprechungen – dieses Bedürfnis nach autoritärer Führung verheißen.

Das Problem der Demokratie ist nämlich genau das: Es gibt keine Untertanen, die sich irgendwelchen „Eliten“ unterzuordnen hätten. Demokratie lebt von erwachsenen Bürgerinnen und Bürgern, die bestenfalls Mandate auf Zeit vergeben, nicht aber eine autokratische Autorität ermächtigen, sondern im Idealfall sich selbst als Verantwortungsträger. Was aber kann der einzelne Mensch schon bewirken?

Viel! Als mündige Bürgerinnen und Bürger sollte man deshalb nicht in luftige Höhen nach irgendwelchen „Eliten“ schauen. Es ist wie beim Beten: Wer Gott als „Elite“ versteht, die für alles zu sorgen hat und das Gebet nur als Anforderungen eigenen Wohlbefindens versteht, wird enttäuscht sein. Schnell ist die Frage bei der Hand, warum Gott denn nichts tue und schweige. Dabei ist die Antwort Gottes längst gegeben. Als Jesus, den Christen als Sohn Gottes bekennen, vor der Aufgabe steht, 5000 Menschen zu versorgen, fordert er seine Jünger auf: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mt 14,16) Offenkundig mutet Gott seinem Ebenbild zu, selbst Verantwortung zu übernehmen – und das im eigenen Alltag. Man muss keine Zigaretten oder den eigenen Müll auf den Boden fallen lassen, man kann die Verwaltung nerven bis die Schlaglöcher endlich beseitigt werden und Eigentum – auch immobiles – verpflichtet zur eigenen Sorge für das Gemeinwohl; und dass man vor 35 Jahren (am 11.9.1989 um 0.00 Uhr öffneten sich die Schlagbäume in Ungarn und über 25 000 DDR-Bürger suchten den Weg von der autoritären Führung in die Freiheit) die Diktatur selbsternannter Eliten satt hatte, sollte doch Mahnung genug sein, sich nicht vorschnell wieder selbst zu entmündigen, sondern das Geschaffte als Ansporn zu nehmen, darauf aufbauend die eigene Zukunft zu gestalten. Demokratie ist nichts für Milchtrinker, sondern Schwarzbrotesser! Wir müssen endlich wieder schaffen und anpacken. Fangen wir vor der eigenen Haustür an!