Und wieder einmal steht im Wuppertaler Kulturbetrieb alles auf Anfang, denn Intendanten, Geschäftsführer und auch Dirigenten der großen Kulturinstitutionen ziehen bald weiter und machen Platz für neue Versuche, Anordnungen und Experimente. Es braucht, so hört und liest man, trotz vereinbarten Stillschweigens wieder einmal einen frischen Blick von außen, und natürlich geht damit der eine oder andere Perspektivwechsel einher.
Diesen Floskeln, die die hohe Fluktuation in den verantwortlichen Stellen begleiten, laufen die Wuppertalerinnen und Wuppertaler wie Graugänse hinterher. Denn genauso treu wie diese können die Menschen dieser Stadt einfach nicht weniger loyal sein, selbst wenn sie sich vielleicht betrogen fühlen könnten. Eine eingeprägte Treue gehört hier im Tal einfach zum genetischen Code. Treue, gepaart mit grenzenlosem Vertrauen und einer guten Portion lokalem Starrsinn.
Auf der anderen Seite leben und arbeiten glücklicherweise sehr viele freie Künstlerinnen und Künstler schon seit Generationen vor Ort. Sie helfen sich gegenseitig. Sie sind und bleiben sich, wie gute Freunde eben, treu. Im Grunde kennt, achtet und betrachtet sich die lokale Kreativwirtschaft schon seit Anfang der 80er Jahre untereinander ganz genau. Das Problem dieser Helden der Treue mit ihren mittlerweile in Würde gealterten Biografien ist, dass auch sie leider Ikonen brauchen. Und das Problem dabei ist, dass die Welt das im Moment nicht mehr leisten kann, denn neue Begeisterung aufzubauen braucht einfach ihre Zeit. Doch die haben wir nicht mehr und genau darum geben wir sie dem künstlerischen Nachwuchs kaum mehr.
Und so habe ich manchmal das Gefühl, dass das Wuppertaler Publikum nur noch bereit ist, für das zu klatschen, was einmal war. Ich kann das teilweise auch gut verstehen, denn es ist den Meisterinnen und Meistern ihrer jeweiligen künstlerischen Klassen gegenüber natürlich nur fair und auch irgendwie höflich und für das Publikum sicherlich auch tröstlich. Aber 25 Jahre nach einem Millenium erwarte ich von der Kultur einer Stadt einfach mehr: mehr Dynamik, mehr Spürsinn. Mehr Interesse an noch Unentdecktem. Mehr Wille von bereits etablierten Strukturen, neue Wege zu ebnen. Ich erwarte mehr Patenschaften oder private Stipendien von Wuppertaler Unternehmen, gerne auch im Schulterschluss mit den Hidden Champions unter ihnen. Und natürlich erwarte ich auch mehr Unterstützung für lokale Künstler durch Förderungen der Öffentlichen Hand.
Sich vorzustellen, dass sich die nachwachsende Kunst und Kultur einer Stadt irgendwann nicht mehr frei zeigen kann oder sich sogar einfach nicht mehr zeigen darf, weil man sich sicherheitshalber wieder mehr auf Bewährtes verlässt, macht mich nicht nur ein bisschen nervös. Und ich hoffe, dass gerade dann, allen Widerständen zum Trotz, neue Kraftquellen für Kunstschaffende in Kellern, Katakomben oder auch anderen, leider oft maroden Freiräumen gefunden werden.
Gerade in der Wuppertaler Vergangenheit gibt es für dieses Phänomen, für diesen künstlerisch-innovativen Erfindergeist und Überlebenswillen unzählige Beispiele. Vielleicht legen die lokal aktiven Künstlerinnen und Künstler Wuppertals ja bald alle zusammen einmal performativ ihr letztes Hemd ab und gehen, so wie in einigen Städten bereits geschehen, als Publikum nackt ins Museum. Ich habe immer mal wieder davon geträumt, nachts im Museum zu sein. Nackt im Museum zu sein kann ich mir für mich jetzt nicht so gut vorstellen. Aber es ist tatsächlich mal etwas ganz anderes. Und dafür, dass in der Kunst alles anders bleibt, plädiere ich ja hier.