Schule in Corona-Zeiten „Im Distanz-Unterricht fehlt irgendwann die Motivation“

Wuppertal · Eine Schülerin beklagt sich: In weiterführenden Schulen findet nur wenig Unterricht statt. Die Gewerkschaft Erziehung und Wuppertal sagt, die Schulen hätten häufig auch ein Platzproblem.

Es gibt viele Möglichkeiten fürs Lernen mit Internet.

Foto: dpa/Lino Mirgeler

Seit Montag können Grundschüler und ihre Eltern aufatmen: Die Schulen sind wieder geöffnet. Vor den Sommerferien findet zwei Wochen lang jeden Tag Unterricht im Klassenverband statt. Schüler ab Klasse 5 müssen sich weiter mit Distanzunterricht und einigen wenigen Tagen in der Schule begnügen. Erst nach den Sommerferien sollen möglichst alle Schüler sämtlicher Schulformen wieder in den Regelbetrieb zurückkehren, wie Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch im Schulausschuss des Landtags bekräftigte.

Das ist gut so, denn die Motivation sinkt von Woche zu Woche. „Am Anfang dachten wir, dass gehe nur bis zu den Osterferien, also drei Wochen“, sagt eine Schülerin, die die Q1 des Gymnasiums Bayreuther Straße besucht. Damals seien die Lehrer auch noch motiviert gewesen und hätten Wochenpläne geschickt.

Vielen fehlt das Plenum, um Aufgaben zu erarbeiten

Der Distanz-Unterricht funktioniert aus Sicht der Schülerin nur mäßig. „Die Lehrer handhaben es sehr unterschiedlich“, sagt die 16-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Mit der digitalen Lernplattform iServ mussten sich viele Lehrer erst einmal auseinandersetzen. „Ich habe zehn Wochen lang Ergebnisse hochgeladen und erst dann von der Lehrerin erfahren, dass sie meine Dateien nicht öffnen konnte“, sagt die Schülerin. Das heißt, die Lehrerin habe alle anderen Aufgaben nicht angeschaut. „Irgendwann fehlt die Motivation“, sagt sie. „In den ersten drei Wochen war das kein Problem. Jetzt fehlt die Deadline, die Noten stehen schon.“

Um sich macht sich die Schülerin keine Sorgen. Sie ist gut in der Schule, aber einige Freunde beschäftigten sich gar nicht mit den Aufgaben. „Es ist in vielen Fällen gar nicht so, dass sie keinen Bock haben, sondern das Plenum fehlt, um sich Aufgaben zu erarbeiten“, findet die Schülerin. Gerade in sozialwissenschaftlichen Fächern sei das wichtig. „Was mich aber am meisten aufregt, ist der Vergleich mit anderen Schulen“, sagt die Schülerin. An der St.-Anna-Schule gebe es fast täglich Präsenzunterricht von 8 bis 14 Uhr. Am Carl-Fuhlrott-Gymnasium gingen die Schüler ab Klasse 10 ganze Tage in die Schule. „In unserem Gymnasium gibt es nur ein bis zwei Stunden Unterricht am Stück“, sagt die 16-Jährige. Präsenzunterricht gibt es ausschließlich in den Leistungskursen (LK).

„Ein Vergleich mit anderen Schulen ist nicht redlich“, sagt Britta Jesinghaus-Eickelbaum, Leiterin des Gymnasiums Bayreuther Straße. Jede Schule habe ihre Bedingungen. „Das macht es schwer, es transparent zu machen.“ Die Schule kämpft nicht nur in Corona-Zeiten mit Platzmangel. Die Räume der Schule sind für vierzügige Jahrgangsstufen ausgelegt, das Gymnasium ist inzwischen fünfzügig. „In den Klassen können wir aufgrund der Abstands- und Hygieneregeln höchstens zwölf Schüler unterrichten“, sagt sie. Die Klassen seien gedrittelt worden, so dass alle Schüler der Klassen 5 bis 10 seit Ostern zwei Mal Präsenzunterricht hatten. In der Sekundarstufe I lege die Schule Wert auf Klassenlehrerunterricht, „zur Pflege der Psychohygiene“.

Ein Vierteljahr Unterricht
fehlt für das Abitur

„Die Q1 kommt alternierend für die LKs in die Schule, um den Schülern eine Verbesserung der Noten zu ermöglichen“, sagt Jesinghaus-Eickelbaum. Ihnen fehle ein Vierteljahr Unterricht für das Abitur im kommenden Jahr. Die Entscheidung, den Unterricht so zu organisieren sei auf Grundlage des Schulpsychologischen Dienstes getroffen worden. „Auch wenn wir Verständnis für die Maßnahmen haben, ist es psychologisch tragisch für alle“, sagt die Schulleiterin.

Nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Wuppertal (GEW) spielen mehrere Faktoren eine Rolle, wie häufig Präsenzunterricht stattfinden kann. „Es kommt darauf an, wie viel Platz eine Schule hat, aber auch wie viele Prüfungen noch stattgefunden haben“, sagt Tino Orlishausen aus dem Leitungsteam der GEW. Bei der Abiturprüfung sei schnell die Hälfte des Kollegiums beschäftigt und alle Räume belegt. Er beobachtet auch, dass die Motivation der Schüler sinke. „Distanzlernen hat seine Stärken, etwa wenn man sich Geschichtsstoff aneignen muss“, sagt er. In anderen Bereichen wie der Bewertung, beim Wissenstransfer oder bei der Quellenanalyse könne der Distanzunterricht den Unterricht in der Schule nicht ersetzen.

Zudem sei es „für eine Lehrkraft unmöglich, den Wust an Ergebnissen durchzusehen“, so Orlishausen. Ein Lehrer mit einer Vollzeitstelle habe 150 bis 180 Schüler. „Wenn jeder fünf bis sieben Seiten abgibt, sind das schnell 1000 Seiten pro Woche“, sagt er. Da sei es schwierig Rückmeldung zu geben, die adäquat ist. „Soziale Dinge fallen gerade weg“, sagt Orlishausen. Der Mensch lebe von Anerkennung.