Campus Wuppertal Wuppertals erstes Fertighaus kam mit der Eisenbahn aus Paris

Wuppertal · Professor Christoph Grafe über die Geschichte des Norwegischen Holzhauses, das 1900 für die Weltausstellung gebaut wurde.

 Das Norwegische Holzhaus im Wuppertaler Stadtbezirk Uellendahl-Katernberg am Rande des Mirker Hains.

Das Norwegische Holzhaus im Wuppertaler Stadtbezirk Uellendahl-Katernberg am Rande des Mirker Hains.

Foto: UniService Transfer

1516 beschrieb Leonardo da Vinci sein Vorhaben, eine ausschließlich aus zerlegbaren Typenhäusern bestehende Idealstadt an der Loire zu errichten. Zwar wurde diese Idee nie umgesetzt, zeigt aber, wie früh sich schon Architekten mit beweglichen Wohnstätten auseinandergesetzt haben. Das sehr frühe Beispiel eines zerlegbaren Fertighauses steht in Wuppertal an der Kohlstraße 64. Das als das Norwegische Holzhaus bezeichnete Objekt hält die Denkmalbehörde Wuppertal für ein bedeutendes Gebäude der Architekturgeschichte. Christoph Grafe, Architekt an der Bergischen Universität, weiß mehr über die Geschichte und die Zukunft des mobilen Holzbaus.

„Das Norwegische Holzhaus hat eine ganz interessante Geschichte“, beginnt er, „es wurde ja zunächst für die Weltausstellung 1900 in Paris gebaut und errichtet. Dann hat es der Bankier August Freiherr von der Heydt gekauft. Das Haus wurde dann mit der Eisenbahn transportiert und in Wuppertal wieder zusammengesetzt.“ Zwar sei das Norwegische Holzhaus damals in Paris nicht das einzige Holzhaus gewesen, auch andere Gebäude wurden in verschiedene Länder verkauft, aber es sei sicher das einzige Fertighaus der Weltausstellung, welches bis heute in Wuppertal stehe.
Für den Verlauf der Erfolgsgeschichte dieser Bauten müsse man jedoch bereits mit der Weltausstellung 1851 in London beginnen. „Die Mutter aller Weltausstellungen in London, die große Weltausstellung 1851, zeigte schon die neuesten technischen Entwicklungen und brachte aber auch alles, was in der Welt existierte, zusammen“, erzählt Grafe. „Ein Aspekt davon war unter anderem der, dass in London 1851 eine sogenannte Karibische Hütte aufgebaut wurde. Das war eine ganz einfache Konstruktion aus Holz, die aber für die Architekturgeschichte ganz wichtig gewesen ist, weil zum ersten Mal ein ethnologischer Aspekt sowie die Tradition vom Bauen von Völkern außerhalb von Europa oder auch von ländlichen Regionen in Europa Teil der Ausstellung waren.“ Neben den technologischen Neuerungen suchten die Fachleute also auch nach traditionellen Bauformen. „Gottfried Semper, einer der wesentlichen Architekturtheoretiker des 19. Jahrhunderts, hat aufgrund dieser Erfahrungen mit der Karibischen Hütte neue Aspekte der Architekturtheorie formuliert. Diese Volksarchitektur, ob europäisch oder nicht, wird aufgenommen, und es gibt ein Interesse an deren Bauweisen.“

Holz- und Fertighäuser sind in der städtebaulichen Planung nicht unproblematisch, denn die Konzepte gehen in der Regel vom frei stehenden Einzelhaus aus. „Wir haben im Augenblick die Tendenz, Hochhäuser aus Holz zu bauen, da gibt es auch eine Reihe von Beispielen“, sagt Grafe, „gleichzeitig gibt es Untersuchungen von Wohnvierteln, die eine relativ hohe Dichte haben, aber nicht unbedingt in die Höhe gehen.“ Grafe nennt ein Beispiel: „Es gibt eine Reihe von Wohnvierteln in Selbstbauweise des ursprünglich aus Deutschland stammenden Architekten Walter Segal in London, der auch aus dieser Wagnerischen Tradition kommt. Er hat Siedlungen in Selbstbauweise in Holz mit maximal zwei Stockwerken geplant. Die sind intelligent und dicht verschachtelt, und die Grundstücke sind nicht sehr groß. Das geht, indem man zum Beispiel das Parken zentralisiert und es landschaftlich einbettet, sodass diese Häuser mittlerweile häufig mit den Bäumen darum verwachsen sind. Manchmal muten diese Häuser wie Baumhäuser an, wodurch das unglaublich idyllisch ist. Vom Platzbedarf her sind sie sehr dicht. Das heißt, man kann durchaus Einzelhäuser bauen. Auch in Japan gibt es das Beispiel kleiner zweistöckiger Häuser. Eine intelligente Freiraumlandschaftsplanung und Parzellierung ist notwendig und auch eine gewisse Gliederung, dass die Privatheit nicht gestört ist. Dann kann man auch mit dem Einzelhaus eine hohe Dichte erzielen.“

Der Hochschulwettbewerb Solar Decathlon Europe (SDE) kam 2022 zum ersten Mal nach Deutschland und baute auf dem Gelände des Mirker Bahnhofs. 18 Teams aus elf Ländern qualifizierten sich damals für den urbanen Zehnkampf für nachhaltiges Bauen und Leben in Wuppertal. Sie planten, bauten und betrieben Solarhäuser mit neutraler und sogar positiver Energiebilanz. Der SDE stand daher unter dem Motto „Design – Build – Operate“. Auch dort wurde Holz als einer der wichtigsten Werkstoffe der Zukunft verwandt. „Beim SDE spielt aber noch etwas anderes eine Rolle“, sagt Grafe, „weil zum ersten Mal diese Ideen für Passivhäuser in einem existierenden urbanen Kontext gedacht waren. Die Prämisse war, dass diese Beispiele im Grunde Erweiterung und häufig auch Aufstockung von bestehenden Gebäuden sein sollten. Keine Planung eines Neubaus auf der grünen Wiese. Diese Gebäude sind ergänzend zu schon etwas Bestehendem gemacht, also eine Erweiterung einer bestehenden Struktur.“

Die Aufstockung sei im Augenblick ein ganz wesentliches Architekturthema, denn man könne nicht weiter das letzte Stückchen Grün bebauen, sondern müsse eigentlich nach oben bauen. „Dann ist es logischerweise so, dass wir Leichtbauweise auch untersuchen müssen. Wenn ich obendrauf baue, will ich nicht schwer bauen.“