Wuppertaler Stadtjubiläum Zehn Pfennig für eine Stunde Parken
Bis zu 1200 Parkuhren standen in den Hochzeiten in den Stadtzentren. Als 2000 der Euro eingeführt wurde, lohnte sich der Umbau nicht: Alle Geräte wurden an Sammler verkauft.
Das eigene Automobil ist in den 50er Jahren der Traum jeden Wuppertalers. So stellt Redakteur Hellmut Holthaus am 29. September 1955 im Generalanzeiger die Frage: „Macht ein Auto glücklicher?“ und stellt fest: „Der eigene Wagen ist eine Art Meßgerät der irdischen Glückseligkeit geworden, Inbegriff der Erfüllung, Ausrufungszeichen hinter dem Erfolg.“ Ein kleiner Wagen sei das Zeichen des respektablen Mannes, ein mittlerer stehe schon für einen besseren Herren, und ein großer Wagen zeige allen Umstehenden sofort, dass hier ein vornehmer Herr unterwegs sei. Deshalb sei die Klasse der nach einem eigenen Auto Strebenden sehr groß: „Sie arbeitet mit verbissener Ausdauer und kennt nur ein Ziel, nur eine Krönung aller Mühsal: den eigenen Wagen.“
30 000 Fahrzeuge sind im September 1955 in Wuppertal zugelassen, eingerechnet die zahlreichen Motorräder. Neu wird in diesem Jahr die regelmäßige Überprüfung aller Fahrzeuge durch den Tüv eingeführt. „Jedes dritte Fahrzeug wies so erhebliche Mängel auf, daß es ein zweites Mal vorgeführt werden musste“, berichtet der Generalanzeiger (GA) am 14. September. Insbesondere die Beleuchtung, aber auch der Fahrtrichtungsanzeiger/ Blinker weise häufig Schäden auf. Gefährlich hört es sich an, dass bei 20 bis 30 Prozent aller Fahrzeuge die Bremsen nicht ordnungsgemäß funktionierten. Da wundert es nur noch wenig, dass in jeder Ausgabe des Generalanzeigers dieser Zeit von zahlreichen Verkehrsunfällen berichtet wird; sehr oft kommen dabei Fußgänger zu Schaden.
Schließlich sind viele der neuen Autofahrer noch ungeübt im Betreiben ihrer Neuanschaffung. Wer im Auto sitzt, muss schneller reagieren als ein Fußgänger. Als der Tüv München in diesem Jahr eine Verkehrstauglichkeitsuntersuchung bei allen Über-65-Jährigen einführt, fallen drei Viertel der Untersuchten durch.
Ein weiteres Problem ist der Parkraum: Die Straßen sind auf die steigende Flut von Fahrzeugen nicht eingestellt. „Durch Schließung vieler Baulücken sind teilweise hinsichtlich der Parkmöglichkeiten katastrophale Zustände eingetreten“, findet die Werbegemeinschaft Wuppertal. „Besonders für auswärtige Besucher Wuppertals werde bei den wenigen Parkplätzen ein Besuch der Stadtkerne fast unmöglich“, berichtet der Generalanzeiger am 8. September 1955. Dabei sei Wuppertal „die gute, preiswürdige und zuvorkommende Einkaufsstadt des Bergischen Landes“.
Die Stadt experimentiert, wie sie mit der Automasse umgehen soll. An der Friedrich-Ebert-Straße und an der Friedrich-Engels-Allee wird das Parken auf dem Gehweg innerhalb der weiß markierten Fläche erlaubt. Akribisch erklärt der Generalanzeiger seinen Lesern, wie genau sie dort parken sollen. Wenige Tage später legt der Polizeipräsident nach und wiederholt die Regeln abermals im GA. Teilweise wird an der Nordseite der Neumarkt- und Friedrich-Ebert-Straße zwischen 9 und 19 Uhr ein erst nach 30 Minuten wirksames Parkverbot eingerichtet. Doch woher sollen die Polizisten wissen, ab wann ein Auto dort steht? „Es hat sich herausgestellt, daß ein derartiges Parkverbot praktisch unwirksam ist, da eine ordnungsgemäße Kontrolle dieser Verkehrsbeschränkung durch die Polizei nicht durchgeführt werden kann“, teilt der GA mit.
Also probiert die Stadtverwaltung eine neue Erfindung aus den USA aus: In der Ausgabe vom 19. September 1955 zeigt der Generalanzeiger ein Foto von Arbeitern, die die ersten Parkuhren Wuppertals aufstellen. 20 Stück nehmen an der Herzogstraße am 21. September den Betrieb auf. „Bekanntlich sollen sie zunächst versuchsweise aufgestellt werden, um das Dauerparken in dieser belebten Geschäftsstraße mit Anliegerverkehr zu verhindern“, erklärt der GA. Schilder neben den neuen Automaten erklären die Handhabung: „Einwurf eines 10-Pfennig-Stückes unterbricht das Halteverbot für eine Stunde je Parkbox.“ Der sprichwörtliche fallende Groschen bringt das rote Schild „Bitte bezahlen“ zum Verschwinden. Bei Erfolg der Aktion werden weitere Parkautomaten in Aussicht gestellt.
Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus, wie der Generalanzeiger wenige Tage später schreibt: Einige Autofahrer freuen sich, dass sie nun kurzfristig einen Parkplatz für Erledigungen finden. Andere sehen überhaupt nicht ein, warum sie nun für das Parken zahlen sollen. Zumal zu dieser Zeit die Rechtslage noch nicht geklärt ist und sündige Autofahrer durchaus hoffen können, ohne Strafe davonzukommen.
Später steigen die Preise vom Groschen auf bis zu einer Mark pro Stunde. Die Tarife gelten auch sonntags: Ärger gibt es, als Politessen um den Laurentiusplatz herum während des Gottesdienstes Knöllchen verteilen. „Man musste oft zum Auto zurücklaufen, um Geld nachzuwerfen“, erinnert sich beispielsweise der Politiker Hermann-Josef Richter an die Zeit der Parkuhren.
Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung entleeren die Parkographen mithilfe eines staubsaugerähnlichen Geräts. „Dadurch bestand keine Gefahr, dass Münzen auf die Straße kullerten oder die Beschäftigten etwas abzweigten. Im Winter allerdings fror das Kleingeld fest. Dank eines mitgeführten Gummihammers löste man das Problem“, erzählt der ehemalige WSW-Pressesprecher Michael Malicke.
Bis zu 1200 Parkuhren standen in den Hochzeiten in den Stadtzentren. Als 2000 der Euro eingeführt wurde, lohnte sich der Umbau nicht. Alle 1200 Geräte wurden innerhalb von nur einer Woche an Sammler verkauft. Heute sorgen 114 Parkscheinautomaten an 1900 Stellplätzen dafür, dass Autofahrer weiter ihren Obolus an die Stadt entrichten. Mit ein bis eineinhalb Euro pro Stunde zählt Wuppertal jedoch zu den günstigsten Großstädten in Deutschland.