Offen gesagt Hauptsache gemeinsam

Wuppertal · Beim Neujahrsempfang der IHK wurde noch einmal unnötigerweise der beigelegte Outlet-Streit zwischen Wuppertal und Remscheid aufgewühlt. Warum eigentlich?

Foto: Schwartz, Anna (as)

Auch in Abwesenheit hat er es geschafft, wieder einmal ein wenig Salz in die noch offenen Wunden zu streuen. Der Präsident der Bergischen Industrie- und Handelskammer (IHK), Thomas Meyer, laborierte an einer Grippe, während die Kammer am Mittwoch mit mehr als 1000 Gästen das neue Jahr willkommen hieß. Aber Meyer war anwesend, wenn auch sein äußerst wortgewandter Stellvertreter Christian Busch die diesmal wohltuend kurze Ansprache im Sinne Meyers hielt. Von Gemeinsam war darin viel die Rede. Aber der Nachmittag hatte an einigen Stellen immer noch mehr von Gegeneinander. So wühlte der Präsident ohne Not noch einmal den leidigen Zwist auf, den Wuppertal und Remscheid wegen ihrer gegensätzlichen Pläne für Einkaufsparadiese hatten. Er ist vor Weihnachten notariell beigelegt worden. Damit hätte es nun auch gut sein können. Aber Busch legte nach und würdigte dabei auch noch die Rolle der IHK in der Streitschlichtung, was mindestens erstaunlich ist.

Denn es scheint vielmehr eine Art Daseinsberechtigung für die Kammer geworden zu sein, die vermeintlichen, allenfalls läppischen Unterschiede zwischen Remscheid, Solingen und Wuppertal zu betonen. Wenn es schlecht läuft, wird es wohl keine Neujahrsansprache mehr geben, in der die Bergische IHK nicht Gemeinsamkeit predigt und provinziellen Streit fördert. Das hat etwas mit ihrer grundsätzlichen Sicht auf das Bergische Land und seine größten Städte zu tun. Die IHK setzt gemeinsam mit unterschiedslos gleich. Die eine Stadt soll nicht haben, was die andere begehrt, wenn alle im selben Tempo laufen, kommen alle zur selben Zeit ins Ziel. Diese Milchmädchenrechnung scheint das Denken und Handeln der Kammer zu speisen. Und das ist mit Verlaub so kleinkariert, wie das Bergisch Pepita, das überwunden werden soll, und so entlarvend, wie das Programm, mit dem die Kammer ihre hochkarätigen Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft am Mittwoch in der Stadthalle bedient hat. Dass das Tempo der spektakulären HipHop-Tänzer nicht über die gesamte Veranstaltung gehalten werden konnte, ist absolut verzeihlich. Aber der Auftritt der Bergischen Symphoniker war eindeutig eine Ohrfeige für Wuppertal. Unnötig und unüberhörbar daneben, weil Wuppertal ein erstklassiges Sinfonieorchester hat, das in der erstklassigen Historischen Stadthalle regelmäßig erstklassige Konzerte gibt. Aber es ist eben immer noch der Wunsch dieses IHK-Präsidenten, die Orchester zu fusionieren, was für Wuppertal eine Schwächung bedeutete, die laut Meyer jedoch sowieso niemand wahrnehme.

Hier täuscht der Präsident. Und er irrt sich ebenso wie mit der Auswahl des Festredners. Die Google-Schaufensterpuppe aus dem Silicon Valley sollte offenbar Bergische Weltoffenheit dokumentieren und erzählte den anwesenden Unternehmern dann doch nur, was die längst wissen. Erfolg kommt von Mut, Offenheit, Wertschätzung und Einfühlungsvermögen. Und das soll eine Botschaft sein für eine Region, in der Unternehmen jedes Jahr fast eine Milliarde Euro in Forschung und Entwicklung investieren und in der es NRW-weit die meisten Patentanmeldungen je 100 000 Einwohner gibt? Wohl kaum.

Dabei stimmt es schon, dass Wuppertal, Remscheid und Solingen auf jeden Fall mehr gemeinsam machen sollten. Aber gemeinsam heißt nicht gleich. Und eine IHK muss sich auch nicht in den ewig selben Forderungen nach Steuersenkung statt Umweltschutz erschöpfen. Die Realität im Bergischen Land ist längst eine andere. Die Region setzt sich an die Spitze der fahrerlosen Mobilität, mit dem Wuppertal Institut beheimatet sie die Vor- und Weiterdenker des gesellschaftlichen Wandels.

Was die Region braucht, sind Infrastruktur für Daten- und reale Mobilität, sind Schulen, die nicht jedes Jahr Tausende von jungen Menschen ohne Abschluss entlassen, sind konkurrenzfähige Gewerbe- , Neubau- und Freizeitgebiete. Sie braucht keine Industrie- und Handelskammer, die sich im Grunde selbst genug ist und die ihren Sinn anscheinend aus nichtigen Dissonanzen beziehen will.