Weitere Beschuldigte wurden ermittelt Wurde im Tagebau illegal Müll entsorgt?
Grevenbroich · Im Tagebau Garzweiler sollen tonnenweise belastete Böden von Großbaustellen illegal entsorgt worden sein. Ermittelt wird gegen mehrere Verdächtige aus der Region. Probebohrungen in der Grube sollen Klarheit über die Beschaffenheit des Materials bringen.
Im September war der Polizei ein Schlag gegen illegale Müllentsorger in der Region gelungen. Bei einer Großrazzia, an der 150 Einsatzkräfte beteiligt waren, wurden mehrere Verdächtige festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, tonnenweise belasteten Bodenaushub im Tagebau Garzweiler verkippt zu haben. Die Ermittlungen in diesem Fall dauern weiterhin an. Welche Gefährdung von den angelieferten Böden ausgeht, soll nun bei Untersuchungsbohrungen in der Braunkohlengrube ermittelt werden.
Der Großeinsatz im Spätsommer war mit Durchsuchungen an zahlreichen Standorten in Grevenbroich, Jüchen, Krefeld und anderen Orten verbunden. Insgesamt wurden 27 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt, teilte die Staatsanwaltschaft Dortmund nach der Razzia mit. Im Fokus der Ermittler standen zunächst ein 56 Jahre alter Geschäftsführer aus Grevenbroich, sein 24-jähriger Sohn und vier weitere Beschuldigte. Die Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität (ZeUK) in Nordrhein-Westfalen ermittelt gegen die Beschuldigten wegen des Verdachts der Bodenverunreinigung, des unerlaubten Umgangs mit Abfällen, des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs sowie begangener Fälschungen von Urkunden und technischen Aufzeichnungen.
Laut Ermittlungen sollen die beiden Grevenbroicher mehrere tausend Lieferdokumente von Entsorgungsunternehmen gefälscht haben, um belasteten Bodenaushub nicht kostspielig entsorgen zu müssen. Ihren Kunden sollen sie mit gefälschten Belegen eine ordnungsgemäße Entsorgung vorgetäuscht und entsprechend hoch in Rechnung gestellt haben. Der Aushub soll an offiziellen Annahmestellen des Tagebaus abgeladen worden sein, die eigens für die Anlieferung von unbelasteten Böden eingerichtet wurden. Die Annahmestellen werden von der Rheinischen Baustoffwerke GmbH betrieben, einer Tochter von RWE.
Im September waren Haftbefehle gegen drei Beschuldigte ergangen. Diese seien zwischenzeitlich „jeweils gegen Zahlung von Kautionen unter Auflagen außer Vollzug gesetzt“ worden, sagte der Dortmunder Staatsanwalt Alexander Kilimann am Mittwoch. Seit der Großrazzia seien zudem weitere Beschuldigte hinzugekommen. Eine konkrete Zahl könne er hierzu „mit Blick auf die laufenden Ermittlungen“ jedoch nicht nennen.
Was den aktuellen Stand der Dinge betrifft: Im Rahmen der Durchsuchungen sei ein PC sichergestellt worden, „auf dem sich eine Software befindet, mit der mutmaßlich in mehreren zehntausend Einzelfällen unrichtige Wiege- und Lieferbelege erstellt worden sein sollen“, sagt Kilimann. Es bestehe der Verdacht, dass diese Belege dazu genutzt wurden, eine angeblich ordnungsgemäße Entsorgung bei dafür zugelassenen Fachbetrieben vorzutäuschen.
Die konkrete Belastung der angelieferten Böden ist weiterhin Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Wie aus einer Information des NRW-Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie für den Unterausschuss Bergbausicherheit hervorgeht, besteht der Verdacht, dass mutmaßlich schadstoffbelastetes Bodenmaterial schwerpunktmäßig an den Tagebau-Kippstellen „Jüchen alt“ und „Wanlo“ angeliefert worden ist. Geringere Mengen sollen zu den Kippstellen „Pösenberg“ und „Jüchen neu“ gebracht worden sein.
Untersuchungsbohrungen mit Materialentnahmen in einem festgelegten Raster sollen nun Klarheit über die Beschaffenheit des Bodenmaterials bringen. Dabei soll das sogenannte Trockenbohrverfahren angewendet werden – um zu verhindern, dass die zu entnehmenden Proben durch eine Spülung chemisch verändert werden. Begonnen werden soll an der Kippstelle „Jüchen alt“, die in dem Bereich liegt, in dem die Grube zeitnah wieder mit Abraum gefüllt werden soll. Laut Ministerium sollen die ersten Untersuchungsergebnisse voraussichtlich im ersten Quartal des neuen Jahres vorliegen. Die Kippstellen „Jüchen alt“, „Jüchen neu“, „Wanlo“ und Pösenberg wurden vorübergehend von RWE geschlossen. Die Annahme von Bodenaushub wurde zwischenzeitlich verlagert auf die Deponie für Kraftwerksrückstände am Tagebau Garzweiler.