James Stewart - Ein aufrechter Amerikaner

Zum 100. Geburtstag eines großen Schauspielers, dem es zeitlebens darum ging, seine Vielseitigkeit unter Beweis zu stellen.

Düsseldorf. Er war schon in den 30er-Jahren ein Superstar und hätte sich jahrzehntelang auf den eigenen Lorbeeren ausruhen können. Doch James Stewart blieb in Bewegung - immer auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, ständig auf der Flucht vor dem Image, das ihn über seinen Tod hinaus verfolgen sollte.

Vielen galt er als Inbegriff des aufrechten Amerikaners: "Jimmy" marschierte vorneweg, wenn es darauf ankam, diszipliniert und gottesfürchtig dem Ruf des Vaterlandes zu folgen, moralischen Grundsätzen und christlichen Geboten zu gehorchen.

Doch dem am 20. Mai 1908 in Indiana/Pennsylvania geborenen Schauspieler, der erst Architektur studiert, dann aber am Broadway landet, geht es zeitlebens gerade darum, seine Vielseitigkeit unter Beweis zu stellen. Stewart will nicht im Klischee erstarren, er wechselt deshalb ständig die Rollen und Genres.

Unter der Regie von Frank Capra, der Stewarts erklärten Lieblingsfilm "Ist das Leben nicht schön?" (1947) in Szene setzt, spielt er sozialkritische Tragikomödien. John Ford und Anthony Mann machen ihn zum Westernhelden in "Der große Bluff" (1939) oder "Das war der Wilde Westen" (1962).

Mit Alfred Hitchcock dreht er Thriller wie "Das Fenster zum Hof" (1954), "Der Mann, der zuviel wusste" (1956) oder "Vertigo" (1958), und Billy Wilder besetzt mit ihm die Hauptrolle seiner Luftfahrthistorie "Lindbergh - Mein Flug über den Ozean" (1957).

Dabei spielt James Stewart mit wachsender Begeisterung doppelbödige Charaktere, die so gar nicht zum Bild des ehrenwerten Durchschnittsamerikaners passen wollen. Mit seiner schlacksigen Körperhaltung und der gedehnten Aussprache wirkt der 1,92 große Mime nicht selten schüchtern und verunsichert.

In "Der Mann, der Liberty Valance erschoß" (1962) sieht man ihn als zwielichtigen Senator Ransom Stoddard, der seine Karriere einer Lebenslüge verdankt. Der Polizist John "Scottie" Ferguson ("Vertigo") leidet an Höhenangst und muss seinen Dienst quittieren, während der Sensationsfotograf Jeffries ("Das Fenster zum Hof") seinen Augen nicht mehr traut, obwohl sie den Mord im Nachbarhaus deutlich gesehen haben.

Elwood P. Dowd ("Mein Freund Harvey", 1950) sieht einen unsichtbaren weißen Hasen, der Farmer Howard Kemp ("Nackte Gewalt", 1953) entpuppt sich als Kopfgeldjäger, und der bodenständige Cowboy John O’Hanlan ("Geschossen wird ab Mitternacht", 1970) probiert sein Glück als Bordellbesitzer.

Das heroische Bild, das sich viele Amerikaner von ihrem Lieblingsschauspieler machen, wird allerdings nur bedingt von der Leinwand geprägt. Sie sehen in ihm auch den Piloten der Air Force, der im Zweiten Weltkrieg Commander einer Bombereinheit wird und an mehr als 20 Flügen über Feindesland teilnimmt. Später avanciert Stewart sogar zum Brigadegeneral der Air Force und lässt kaum eine Gelegenheit aus, seiner Begeisterung für das militärische Leben Ausdruck zu verleihen.

"Für mich persönlich war das eine Schule, eine Schule der Disziplin. Und Disziplin finde ich sehr wichtig", gibt der Schauspieler zu Protokoll. "Ich habe 27 Jahre bei der Armee gedient, da habe ich den Wert von Disziplin kennengelernt und im täglichen Leben kommt es einem immer wieder zugute, wenn man es verstanden hat, Disziplin zu praktizieren."

Noch weit schrillere Töne findet Stewart, als später über den Vietnamkrieg gestritten und er gefragt wird, was von jungen Leuten, die den Dienst an der Waffe verweigern, zu halten sei.

"Ich hasse sie! Ich hasse sie von ganzem Herzen!", poltert der Weltkriegsveteran und Nixon-Freund, der in seiner Freizeit gerne Modellflugzeuge bemalt. "Ob es richtig ist oder falsch - ihr Land war im Krieg und hat sie gebeten, ihm zu dienen. Sie haben das abgelehnt und sind davongerannt. Feiglinge!"

Stewarts schauspielerische Leistungen sind weniger umstritten als seine erzkonservativen politischen Ansichten. Gleich vier Mal nominiert ihn die Jury für den begehrten Oscar. 1940 bekommt er die Ehrung für seinen Auftritt in "Die Nacht vor der Hochzeit", und 45 Jahre später gibt es noch den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk.

Auch außerhalb Amerikas wird er vielfach ausgezeichnet. So gewinnt James Stewart mit der Hauptrolle in der vergleichsweise nichtssagenden Komödie "Mr. Hobbs macht Ferien" 1962 den Silbernen Bären und - diesmal 40 Jahre später - den Goldenen Ehrenbären auf der Berlinale 1982 für seine Verdienste um die Filmkunst.

Immer öfter überlegt Stewart, der häufig an schweren Erkrankungen leidet, seine Karriere zu beenden und kehrt doch wieder auf die Leinwand oder den Fernsehschirm zurück. Er will weiter arbeiten, "wenn mir der Tod keinen Strich durch die Rechnung macht".

Erst als seine Frau Gloria, mit der er seit 1949 verheiratet ist, 1994 stirbt, verlässt auch James Stewart der Lebensmut. Er folgt Gloria am 2. Juli 1997. "Es wäre schön, wenn die Menschen an mich als an einen denken, der gut war in seinem Job und als einen, der meinte, was er sagte", lautet sein Vermächtnis.