Musik: Video schockiert Frankreich
Im Musikclip des Elektro-Duos Justice prügelt sich eine Gang durch einen Pariser Vorort.
Paris. "Was ist nur in die sonst so netten Jungs gefahren?", sorgte sich bereits das Pariser Blatt "Le Monde". Auch viele Fans der französischen Elektro-Rock-Band Justice reagieren schockiert. Der jüngste Videoclip des Pariser Duos, das in Frankreich längst Kultstatus hat, ist hammerharter Tobak, nichts für Zartbesaitete.
Zu schrill-nervösem, instrumentalen Elektro-Rock von Justice (Gerechtigkeit) zieht eine Bande Kapuzen-vermummter Vorstadt-Rabauken durch eine öde und trostlose Pariser Vorstadt, randaliert, schlägt zu, raubt und misshandelt.
Danach geht es nach Paris. Dort wird die raue Gangart noch eine Spur härter. Ein Bistro-Wirt, der seine Gäste schützen will, wird zusammengeprügelt, einem Autofahrer wird äußerst brutal das Auto geklaut, das - nach einer wilden Spritztour - am Ende in Zeitlupe und mit Hilfe eines Molotow-Cocktails auch noch in Flammen aufgeht.
Schockierende Bilder sind das, die wohl nicht von ungefähr die düstere Erinnerung an die Brandnächte in den französischen Vorstädten vor inzwischen knapp drei Jahren heraufbeschwören soll.
Undistanziert und schonungslos, in der Art eines hastig zusammengeschnittenen Dokumentarfilms hat Clip-Regisseur Romain Gavras, Sohn des berühmten Filmemachers Costa-Gavras, diese siebenminütige Hass- und Gewaltorgie in Szene gesetzt.
Die ist immer noch im Internet bei Youtube zu sehen und wurde seit Anfang Mai hunderttausendfach angeklickt. Durch und durch echt wirken die Gewaltszenen, was die Wirkung des Clips noch beängstigender macht.
Nicht nur in Frankreich sind die Reaktionen im Internet auf diesen Streifen und den neuen Song mit dem bezeichnenden Titel "Stress" alles andere als begeistert. Auch in deutschen Blogs herrscht vielfach Unverständnis über diese Form der Gewaltverherrlichung. Nur die wenigsten Blogger vermögen in dem brutalen Treiben der Jugendgang aus Schwarzen und Arabern einen tieferen Sinn erkennen.
Nur in einer Szene blitzt so etwas wie Selbstironie auf. In dem gestohlenen Auto zertrümmern die jungen Schläger mit roher Gewalt das Radio, das gerade den Justice-Hit "Dance" aus dem letzten Sommer abnudelt, ein freilich eher müder Gag. Weder Justice noch Regisseur Gavras mochten sich bislang zu ihrem umstrittenen Clip äußern. "Wir machen das, dann wird man sehen", zitierte "Le Monde" einen der Produzenten des Clips.
Frankreichs Musiksender boykottieren unterdessen von sich aus die Ausstrahlung dieses Streifens, ohne von der Aufsichtsbehörde dazu aufgefordert worden zu sein. Der Clip-Kanal MTV, der Justice im letzten Jahr in München noch einen Preis verliehen hatte, hält sich derweil die Entscheidung noch offen.
Für "Justice" wiederum ist das alles freilich eher nachrangig. Die rasante Verbreitung ihres "Stress"-Clips erfolgt ohnehin über die einschlägigen Foren im Internet. Ein enormer Verkaufserfolg von "Stress" erscheint angesichts der Kontroverse, die der Streifen ausgelöst hat, ohnehin garantiert. Und überdies dreht das Justice-Duo Xavier de Rosnay und Gaspard Augé die Kommerzialisierung ihres Skandal-Clips noch eine Spur weiter.
Die Schläger im Video tragen Blousons mit aufgedruckten Särgen in Kreuzform, die die beiden Pariser für ein Modellabel entworfen haben und die im Juni weltweit in den Handel kommen sollen. 700 Euro, so "Le Monde", soll eine Schlägerjacke dann kosten. Straßenschläger-Outfit de luxe.