Prozess: Familie sperrt 24-Jährigen im Keller ein

Der psychisch Kranke vegetierte jahrelang vor sich hin.

Essen. In menschenunwürdigen Verhältnissen hat ein psychisch kranker 24-Jähriger vermutlich über Jahre in einer Siedlung in Essen gelebt.

Wie die "NRZ" berichtete, hauste er in einem Stall im Garten seiner Familie oder wurde in den Keller des 57 Quadratmeter kleinen Zechenhauses gesperrt, in dem zehn Personen leben sollen. Er musste seine Notdurft im Garten verrichten und sich im Regen waschen. Und das wohl mit Wissen der Behörden. Nachbarn bekamen mehrere Einsätze der Polizei vor Ort mit.

Die Leidensgeschichte des Schwarzafrikaners wurde am Donnerstag überraschend in einem Prozess vor dem Essener Landgericht bekannt. Eigentlich ging es nur um seine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie, weil er Menschen im Stadtviertel angegriffen, einer Rentnerin die Handtasche gestohlen und sich aggressiv verhalten haben soll, wenn er aus dem Keller entkommen konnte.

Nach Zeugenaussagen hatte sich der Mann ein Loch gegraben, um zu fliehen. Er sei mehrfach von seiner Familie zurückgeholt und verprügelt worden. Das, was Anwohner und Zeugen schilderten, machte alle Prozess-Beteiligten betroffen. Der 24-Jährige ist sofort in ein Krankenhaus gebracht worden. Jetzt ermittelt auch die Staatsanwaltschaft.

Die Essener Oberstaatsanwältin Angelika Matthiesen sagte Freitag, dass strafrechtliche Vorwürfe gegen die Mutter denkbar seien, aber auch Versäumnisse der Behörden, weil der junge Mann zeitweise unter amtlicher Betreuung stand. Diese soll im Januar ausgelaufen sein.

Die Mutter sei laut "NRZ" mit der Krankheit ihres Sohnes überfordert gewesen. Andererseits lehnte sie jede angebotene Hilfe ab: Sie soll ihn mehrfach aus einer Psychiatrie geholt und ihm seine Medizin verweigert haben.

Ihr Sohn war nach der Verhandlung erleichtert: "Ich habe Stress da unten. Ich muss unbedingt weg."