Mick Jagger: „In Wirklichkeit waren wir zahm“
Sir Mick wird 65 – er rockt immer weiter und pflegt ansonsten die Hobbys der britischen Oberschicht.
London. Mick Jagger war gerade 50 geworden, als ein Spaßvogel die Rolling Stones in "Strolling Bones" umtaufte: klappernde Gebeine. 15 Jahre später leistet der dreifache Großvater auf der Bühne immer noch Rockgymnastik vom Feinsten. Ruhestand ist für ihn ein Fremdwort: "Die Rolling Stones machen weiter, spielen noch mehr Alben ein und gehen immer wieder auf Tour", beschied Jagger Reportern. Heute wird er 65 Jahre alt.
Doch selbst im Rentenalter schafft es der Rocker mit den wohl bekanntesten Lippen der Welt, uns den Unersättlichen vorzuspielen: "I can’t get no satisfaction". 1965 zementierte diese Zeile seinen Ruf als "sex maniac". Heute soll er als Absicherung gegen Vergesslichkeit auf der Bühne einen Teleprompter benutzen.
Das sei doch alles nie ernst gemeint gewesen, winkt der Mann mit den markantesten Gesichtsfurchen des Showgeschäfts ab. "Ich habe nicht versucht, rebellisch zu sein", beteuert er. Ja, ein paar Ältere, so räumt Jagger ein, könnten die Songs der Stones und ihre wilden Bühnenshows "vielleicht für entsetzliches Remmidemmi gehalten und sich gefragt haben, wo wir denn hinkommen, wenn das Musik ist. Doch in Wirklichkeit waren wir ziemlich zahm."
Wie zahm Schmusekater Mick tatsächlich sein konnte, davon konnten sich im Laufe der Jahrzehnte etliche Frauen ein Bild machen. Von Uschi Obermaier über diverse Models wie Luciana Giminez Morad und Carla Bruni, heute Frankreichs First Lady, bis hin zu seinen Ehefrauen Bianca Pérez-Mora Macías und Jerry Hall.
Doch die Sturm- und Drangzeit scheint für Sir Mick, von der Queen 2003 geadelt, vorbei. Die US-Stylistin L’Wren Scott - einen guten Kopf größer und 25 Jahre jünger - hat ihn seit 2001 fest im Griff.
Eine weniger romantische Seite des Stones-Sängers kommt der Band seit vielen Jahren in Form ordentlich organisierter Finanzen zugute. Fast wäre nämlich aus Michael Phillip Jagger, dem in Dartford (Grafschaft Kent) geborenen Sohn eines Sportlehrers und einer aus Australien eingewanderten Avon-Beraterin, ein Buchhalter geworden.
Einschlägige Kenntnisse hat er bei einem abgebrochenen Studium an der London School of Economics erworben. Die "Bigger Bang"-Welttournee der Stones, die vor einem Jahr endete, gilt mit Einnahmen von 437 Millionen Dollar als wirtschaftlich erfolgreichste Konzertreise aller Zeiten. Jagger selbst soll mittlerweile 225 Millionen Euro schwer schwer sein, die Bandkollegen Keith Richards, Ron Wood und Charlie Watts dürften auch nicht darben.
Abseits des Rock übt sich der Rock’n’Roller in Hobbys der britischen Oberklasse: Er gibt den Rosenzüchter, Hobby-Imker, Cricketfan und Schlossbesitzer. Freunde rühmen die große Allgemeinbildung und Belesenheit des einstigen Bürgerschrecks.
Wie er die Kurve zum Gutbürgerlichen kriegte, schilderte Jagger kürzlich so: "Eine gewisse Restintelligenz hatte mich immer fest im Griff, und die sagte mir in gewissen Momenten meines Lebens: Lass es nun hiermit oder damit gut sein."