Reiner Knizia: Der Düsentrieb der Spielewelt

Reiner Knizia hat Mathematik studiert, bei der Bank gearbeitet – und ist heute preisgekrönter Spiele-Erfinder.

Essen/Windsor. Der ernst dreinblickende Mann im dunklen Anzug könnte auch bei der Bank oder im Steuerbüro sitzen. Dagegen spricht, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene bei ihm für ein Autogramm Schlange stehen - Reiner Knizia ist ihr Held. Mit den von ihm erdachten Brettspielen verbringen sie ganze Nachmittage. Er ist Spieleautor aus Leidenschaft, und doch ist die Assoziation zum Bankfach nicht zu weit hergeholt.

Denn Knizia ist Doktor der Mathematik und hat in seinem früheren Leben unter anderem als Chef der Informationstechnologie für eine deutsche Großbank gearbeitet. Danach war er bei einem britischen Baufinanzierer für 300 Mitarbeiter zuständig. 1997 machte er eine 180-Grad-Drehung und wurde hauptberuflich Spiele-Autor.

"Ich habe Spiele entwickelt, seit ich denken kann", sagt er. "Ich bin in einer schwäbischen Kleinstadt aufgewachsen - da war die Spiele-Auswahl nicht so groß. Da musste man schon selber ran", so Knizia. Als Achtjähriger beginnt er, sich neue Ideen für Würfel- und Kartenspiele auszudenken. "Das wurde natürlich nicht veröffentlicht", sagt er lächelnd.

Erst mit Anfang 20 gelang es ihm, seine Ideen erstmals auf den Markt zu bringen. Danach ging es Schlag auf Schlag - um die 500 Spiele sind bis heute von ihm erschienen. Brettspiele, Kartenspiele, Computerspiele, Strategiespiele, Sudoku-Rätsel und Abenteuerspiele. Preise dafür gab es auch, nicht nur in Deutschland.

Die Krönung für den 51-Jährigen kam in diesem Jahr. Er schaffte, was bislang noch keiner geschafft hat: Den Doppeltitel mit den Auszeichnungen "Spiel des Jahres" (Keltis) und "Kinderspiel des Jahres" (Wer war’s?). Bei aller Freude kann er darin nur einen Zwischenstand sehen: "Ich versuche immer, meine Spiele so gut wie möglich zu machen. Der Entwicklungsprozess kann Monate dauern. Es verändert sich sehr oft etwas, weil man häufig erst beim Spielen bemerkt, dass sich manches auf die gedachte Art nicht realisieren lässt."

Daheim im britischen Windsor sitzt er jeden Tag mit mehreren Leuten zusammen und geht seiner Arbeit nach. Im Klartext: Er spielt. Und spielt. Und spielt. "Meine Mitspieler kenne ich seit Jahren, mit ihnen kann ich ideal über neue Möglichkeiten diskutieren", sagt Knizia, der zwischen vier und fünf Uhr morgens aufsteht. "Da ist mein Kopf noch unverbraucht, und ich fühle mich auf der Höhe meiner geistigen Kräfte."

Dass er in England gelandet ist, sieht er als glücklichen Zufall. Er hat auch schon in den USA gelebt, aber dort ist ihm neben anderen Gegensätzen der Unterschied zwischen Arm und Reich zu stark. An der deutschsprachigen Kultur stört ihn das Preußisch-Beamtige. "Die englische Mentalität liegt irgendwo in der Mitte: freundlich, locker, improvisierend."

Die Wünsche seiner Fans dringen auch dorthin durch. "Keltis zum Beispiel ist eine Weiterentwicklung meines Zwei-Personen-Spiels Lost Cities. Viele wünschten sich, dieses Spiel mit mehr als zwei Leuten spielen zu können." Knizia achtet bei seinen Spielen immer darauf, dass sie international zum Einsatz kommen können.

"Ich versuche, Sprachelemente auf Karten oder Spielplänen zu vermeiden, so dass die Spiele bei der Vermarktung nicht auf ein Land beschränkt sind." Und was spielt der Mann, dessen Spielideen über zehn Millionen Mal verkauft wurden, selbst am liebsten?

"Als Kind mochte ich gern Würfelspiele. Heute habe ich, auch wenn das seltsam klingt, kein Lieblingsspiel mehr. Ein Spiel ist nichts Absolutes. Es kommt immer auf Spielpartner und Zeitpunkt an. Mit meiner Familie spiele ich anderes als mit Freunden. Schön ist es trotzdem jedes Mal."