Verteidiger der wahren Pizza
Pizzabäcker möchten sie nicht genannt werden, Künstler schon eher. In Köln tragen sie ihre Meisterschaft aus.
Köln. Wenn der alte Sizilianer Salvatore Condipodaro (62) über Pizza Hawaii spricht, verfinstert sich sein bärtiges Gesicht. Pizza Hawaii steht für alles, was in den letzten 20 Jahren falsch gelaufen ist, für Tiefkühlpizza mit dem Geschmack eines Trockenkekses und die erkalteten Wagenräder der Pizzabringdienste. "Mit Pizza hat das nichts zu tun", brummt der Begründer der Accademia della Pizza Italiana, die seit zwei Jahren in Deutschland die traditionelle Art des Pizzamachens hochhält.
Diesem höheren Zweck dient auch die 2. Internationale Deutsche Meisterschaft der Pizzaioli an diesem Dienstag und Mittwoch in Köln. 41 Pizzamacher treten dort in den Disziplinen Geschmack, Präsentation, Schnelligkeit und Akrobatik gegeneinander an. In den Wandelgängen diskutiert man über Belagkomponenten und Garungspunkte.
Da fliegen Pizzateigscheiben durch die Luft, werden akrobatisch herumgewirbelt und hinter dem Rücken wieder aufgefangen. Selbst wer sich zu Hause sonst streng an die Tischregel "Mit Essen spielt man nicht" hält, kommt angesichts dieser "Pizza-Choreografien" aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Tiefkühlkostfabrikanten und Pizzataxis gelten in diesem Kreis als die natürlichen Feinde der originalen Pizza Italiana. Condipodaro kann sich noch daran erinnern, wie er als kleiner Junge seinem Opa beim Teigkneten und Rösten über einem Feuer im Garten zusah. "Anschließend hat er dann noch ein paar Tomaten gepflückt und drauf getan und ein ganz kleines bisschen Oregano. Den Geschmack hab ich heute noch auf der Zunge." Bei höchst zweifelhaften Kreationen wie Pizza mit Nutella oder die in Italien sehr beliebte Pizza con Wurstel muss er sich jedoch schütteln.
Die italienische Regierung hat vor drei Jahren offiziell festgelegt, wie die echte Pizza beschaffen sein muss: Der Teig braucht eine Gärzeit von mindestens sechs Stunden. Der Boden darf nicht dicker sein als drei Millimeter, am Rand ein bis zwei Zentimeter. Der kreisrunde Teigfladen darf keinen größeren Durchmesser haben als 35 Zentimeter. Als Belag sind erlaubt: Tomaten, echter Büffel-Mozzarella und frisches Basilikum mit ein paar Spritzern Olivenöl. Schluss. Egal ob Salami, Schinken, Gehacktes oder Meeresfrüchte: alles ein Stilbruch. Als schwerstes Vergehen gelten Ananasscheiben. In London forderte der italienische Botschafter vor einiger Zeit sogar eine entsprechende Überprüfung aller Restaurants, die von sich behaupten, italienische Pizza zu machen.
Condipodaro - der selbst kein Gastronom ist - sieht sich als Verteidiger eines italienischen Kulturguts. Gern hätte er bei der Meisterschaft auch einige türkische Pizzamacher dabei gehabt, "um ihnen mal zu zeigen, wie wir Pizza machen". Eben deshalb trägt der Wettbewerb auch den kuriosen Namen Internationale Deutsche Meisterschaft. Fast alle Teilnehmer sind jedoch gebürtige Italiener so wie Caiazzo Antonio (43), der das Pizzamachen in der neapolitanischen Osteria seiner Eltern gelernt hat.
Ursprung: Die erste Pizza, die unseren heutigen Vorstellungenentspricht, wurde sehr wahrscheinlich am 11. Juni 1889 vom Pizzaiolo(Pizzamacher) Raffaele Esposito hergestellt, der dem italienischenKönig Umberto I. und seiner Frau Margherita eine Pizza servierensollte. Er belegte sie patriotisch mit Zutaten in den italienischenNationalfarben: grünes Basilikum, weißer Mozzarella und rote Tomaten -die Pizza Margherita war geboren.
Export: Italienische Auswanderer verbreiteten die Pizzazunächst in den USA und nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Europa. Dieerste Pizzeria Deutschlands, "Sabbie di Capri" wurde 1952 in Würzburgeröffnet.
Siegeszug: Die Pizzen gibt es mittlerweile nicht nur in den 40000 Pizzerien, die nicht unbedingt von Italienern betrieben werden,sondern werden auch vom Pizzaservice (meist Franchiseunternehmen)gebracht. Eine amerikanische Variante bietet die Pizza Hut-Kette.Besonders beliebt bei den Deutschen ist die Tiefkühlpizza, über 700Millionen Stück werden jährlich daheim in den Ofen geschoben und dannvertilgt.
Accademia della Pizza Italiani: Damit die Pizza nicht nur alslieblos belegte und tiefgekühlte Mafia-Torte aus dem Supermarkt denHunger stillt, sollen die Pizzabäcker fit gemacht werden. Dafür bietetdie Vereinigung der Pizzamacher in Deutschland Fortbildungs- undFachseminare für Köche an - und für solche, die es werden wollen. AuchJugendliche werden ausgebildet.
Meisterschaft: Die Wettkämpfe um den internationalen deutschenTitel finden noch heute von 10 bis 18 Uhr in Stadthalle in Köln-Mülheimstatt. Besucher dürfen probieren.