Analyse: Ahmadinedschads kalkulierte Provokation

Ausgerechnet in New York unterstellt Irans Präsident den USA, sie hätten die Attacken vom 11. September selbst inszeniert.

Teheran. Irans PräsidentMahmud Ahmadinedschad ist für markige Worte immer gut. Jüngst ließ er in einem iranischen Fernsehinterview verlauten, derzeit gebe es nur zweiWeltmächte: die USA auf der einen, den Iran auf der anderen Seite.

Der Kalte Krieg geht demnach weiter, nur wurde er von Osteuropa auf denNahen Osten verlegt, und die neue Sowjetunion heißt nun IslamischeRepublik Iran. Die Europäische Union spielt dabei für Ahmadinedschad nur eine untergeordnete Rolle.

"Einerseits glaubt er an seine Aussagen, andererseits sucht erbewusst die Provokation des Westens, um zu zeigen, dass die neueGroßmacht Iran, anders als die anderen Länder, keine Angst vor den USAhat", sagte ein Politologe in Teheran nach dem neuerlichen AuftrittAhmadinedschads vor der UN-Vollversammlung, wo er - nach dem Holocaust - nun auch die Terroranschläge vom 11. September 2001 infrage gestellthat.

Ausgerechnet in der Stadt, die sich nach denTerroranschlägen vom 11. September 2001 wochenlang im Schockzustandbefand, unterstellte Ahmadinedschad den USA, dass sie die Attackenselbst inszeniert haben könnten. Was im Westen Eklat, geschmacklos undinakzeptabel genannt wird, ist für die staatliche NachrichtenagenturIrna, die als Sprachrohr des Präsidenten gilt, "eine erleuchtendeAufklärung".

Zwar teilen Politiker im Iran diese Verschwörungstheorien. Sieglauben, dass der Anschlag dazu dienen sollte, den Schutz des"zionistischen Regimes" Israels zu verstärken, aber offen sagt das nurAhmadinedschad. Seine Kritiker werfen ihm vor, er wolle mit solchenBemerkungen nur auf sich aufmerksam machen.

Die US-Regierung nannte seinen Auftritt anschließend "abstoßend" und"wahnwitzig". Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von"rhetorischen Verirrungen" und "geschmacklosen Entgleisungen". Trotzdemwill man im Kreis der 5+1-Gruppe (die fünf Ständigen Mitglieder desUN-Sicherheitsrats und Deutschland) aber die Hoffnung nicht aufgeben,mit dem Regime in Teheran wieder ins Gespräch über sein vermeintlich nur ziviles Nuklearprogramm zu kommen.