Analyse: Die Macht der kleinen Gewerkschaften
Ob Piloten oder Lokführer — ihre Streiks haben große Wirkung. Die Koalition will dies nun ändern.
Berlin. 5400 Flugpiloten, 20 000 Lokführer und 115 000 Krankenhausärzte — straff organisiert in Spartengewerkschaften — können selbst mit Mini-Streiks Wirtschaft, Infrastruktur und Gesellschaft empfindlich treffen. Union und SPD wollen daher wieder mehr Tarifeinheit erzielen. Doch die rechtliche Umsetzung gleicht der Quadratur des Kreises.
Der Einfluss hoch spezialisierter Berufsgruppen, die sich in Spartengewerkschaften zusammenschließen und für ihre Mitglieder in separaten Tarifverhandlungen Sondervorteile erstreiten, soll zurückgedrängt werden. Das Ziel „Ein Betrieb — ein Tarifvertrag“ soll wieder mehr in den Mittelpunkt rücken.
Die Formulierungen im Koalitionsvertrag sind dazu äußerst schwammig. Die Rede ist von einem „betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip“. Das soll heißen, dass die mitgliederstärkste Gewerkschaft bei Tarifverhandlungen die entscheidende Rolle hat. Das soll „unter Einbindung“ der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesetzlich festgeschrieben werden.
Das Streikrecht und auch das Recht von Arbeitnehmern, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen, sind verfassungsrechtlich verbürgt. Nicht nur die Spartengewerkschaften, auch DGB, Verdi, IG-Metall und der dbb-Beamtenbund lehnen einen Eingriff ab. Eine kleine Spartengewerkschaft, die aber keine eigenen Tarifverhandlungen führen und ein Ergebnis nicht per Streik erzwingen kann, wird für ihre Mitglieder unattraktiv. Bereits jetzt wird mit Verfassungsklagen gedroht.
Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) räumt ein, dass noch schwierige rechtliche Fragen zu klären sind. Ein Entwurf soll im Laufe des Jahres vorliegen.
Experten gehen davon aus, dass ohne Abstriche am Streikrecht für Spartengewerkschaften sich ein solches Gesetz als zahnloser Tiger erweisen würde. Es hätte eher Appellcharakter an die Gewerkschaften.
Verdi und der dbb-Beamtenbund haben für die Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst ohne gesetzlichen Zwang eine Tarifgemeinschaft gebildet, verständigen sich über gemeinsame Forderungen und verhandeln seitdem auch zusammen. Aber auch hier gibt es in jüngster Zeit leichte Auflösungserscheinungen. So verhandeln Beamtenbund und die DGB-Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) derzeit nicht mehr zusammen über eine bundeseinheitliche Eingruppierung angestellter Lehrer.
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