Analyse: Die neue Strategie für Frieden in Afghanistan

Mehr Hilfe zur Selbsthilfe – das neue Konzept soll mehr als nur ein militärisches sein.

Berlin. Es ist, als ob Barack Obama auf den Reset-Knopf gedrückt hätte. Nun steht in Afghanistan ein Neustart an. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ahnte, dass der Krisenherd für den US-Präsidenten das außen- und sicherheitspolitische Thema Nummer eins sein würde. Vor gut einem Monat hat Steinmeier Vorsorge getroffen und mit Bernd Mützelburg - unter Rot-Grün Kanzlerberater - schon einen Sonderbeauftragten für Afghanistan ernannt. Jetzt wird in Berlin der Schalter umgelegt.

"Vernetzte Sicherheit" lautet der Schlüsselbegriff der Europäer. Er steht für den politischen Dreiklang aus Militäreinsatz, Polizeiausbildung und Aufbauhilfe. Kanzlerin Angela Merkel glaubt, dass einiges "besser geworden" ist und die Afghanen "ihre Dinge auch in die Hand nehmen wollen". Strategisch nähern sich die USA den Europäern an. Die Zufriedenheit darüber ist vielfach zu spüren: Bei Merkel während ihres Truppenbesuchs in Afghanistan ("sehr gut aufgestellt"). Und auch bei Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nach einer Reise nach Pakistan. Unverblümt arbeitet sie den US-Lernprozess heraus: "Für die USA waren alle Anstrengungen dem Militärischen untergeordnet. Das wird sich jetzt ändern."

Freilich dürfte auch der deutsche Beitrag neu justiert werden, zum Beispiel in der Entwicklungshilfe mit mehr Agrarprojekten: für die Bauern als Alternativangebot zum Opiumanbau. Für die zivilen Helfer wäre es eine Ergänzung ihrer Arbeit bei der Energie- und Wasserversorgung.

Eine Neuausrichtung deutet sich ferner bei der Polizeiausbildung an. Es wird daran gedacht, die Polizei aus ihrem jeweiligen Distrikt herauszulösen, um sie für je zwei Monate verstärkt auszubilden. In der Zeit springen Ersatzeinheiten in der jeweiligen Region ein. Danach sollen spezielle Mentorenteams - vier Polizisten, vier Feldjäger, zwei Dolmetscher - die Polizei vor Ort eine Zeitlang betreuen. Zielgrößen für die Ausbildung: 134 000 Soldaten und 82 000 Polizisten.

Dass Afghanen die Sicherheit in die Hand nehmen und dass die Landwirtschaft Beschäftigung und genug Nahrungsmittel bietet, gehört zur Exit-Strategie Obamas. Darunter fällt politisch ein stärkerer regionaler Ansatz mit Hilfen für Pakistan und ein veränderter militärischer Auftritt. Die USA wollen zwar massiver vorgehen - mit mehr Soldaten -, aber stärker darauf achten, Zivilopfer zu vermeiden. Den internationalen Streitkräften bleibt nicht viel Zeit für die Neuorientierung. Afghanistan ist mitten im Wahlkampf; es gibt kaum einen Tag ohne Anschläge.