Analyse: Juristische Deals sollen transparenter werden
Absprachen im Vorfeld von Prozessen gibt es schon lange. Künftig sollen sie festen Regeln folgen.
Berlin. Das Verfahren klingt einleuchtend: Die Gerichte sind überlastet, der Angeklagte ist geständig - was liegt da näher als eine Absprache? Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung verständigen sich auf ein Strafmaß. Davon profitieren alle: Das Verfahren wird beschleunigt, die Mitarbeit des Angeklagten wird im Strafmaß honoriert, und womöglich wird auch noch Opfern ein quälender Auftritt vor Gericht erspart. Mit ihrem am Mittwoch vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf legt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nach jahrelangem Gerangel die Regeln dafür fest.
Doch so einleuchtend das Verfahren ist, so strittig ist es. "Wir fahren den Strafprozess vor die Wand", kritisierte Monika Harms noch im Mai 2006 kurz vor ihrem Amtsantritt als Generalbundesanwältin einen ersten Referentenentwurf. Dadurch würden die Schleusen für die ohnehin grassierende Praxis weiter geöffnet.
Die Kritiker befürchten, die Gerechtigkeit könnte auf der Strecke bleiben, der Täter einer "schuldangemessenen Strafe", wie die Juristen sagen, entkommen. Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, der frühere Bundesrichter Wolfgang Neskovic, spricht sogar von einem unwürdigen Handel mit der Gerechtigkeit.
Der Deal ist in Strafprozessen, vor allem in Wirtschaftsdelikten, schon lange üblich. Einer der prominentesten Fälle der jüngsten Rechtsgeschichte ist das Verfahren gegen den ehemaligen VW-Arbeitsdirektor und Regierungsberater Peter Hartz. Aus der Schmiergeldaffäre kam der geständige Angeklagte mit einer Bewährungs- und Geldstrafe heraus.
Auch im Düsseldorfer Mannesmann-Verfahren hatte es solche Absprachen gegeben: Das Verfahren war gegen Geldauflagen eingestellt worden. Beide Urteile scheinen das Vorurteil zu bestätigen, dass man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt. Dem widerspricht Zypries. Verständigungen seien kein Privileg für Weiße-Kragen-Täter.
Auch dafür gibt dafür zahllose Beispiele: Wenn der Angeklagte geständig ist, konzentriert man sich bei manchen Deals auf ausgewählte Hauptdelikte und verzichtet etwa bei Serieneinbrüchen darauf, jeden Einzelfall aufzuklären.
Der Zypries-Entwurf will undurchsichtige Deals verhindern und aus dem Hinterzimmer in die öffentliche Hauptverhandlung holen. Das Gericht muss den Sachverhalt erst aufklären, ehe es einen Deal geben kann.