Wohin mit Guantánamo-Insassen?
Koalitions-Streit: Steinmeier bietet Aufnahme an, Schäuble lehnt das ab.
Berlin. In der Bundesregierung ist der Streit über die mögliche Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen wieder voll entbrannt. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte den SPD-Vorschlag, offensichtlich unschuldigen Verdächtigen in Deutschland eine neue Heimat zu bieten, strikt ab.
Die endgültige Entscheidung will die Bundesregierung aber erst treffen, wenn feststeht, ob das weltweit heftig kritisierte Lager tatsächlich geschlossen wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wolle zunächst einmal die weiteren Entscheidungen des neuen US-Präsidenten abwarten, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Erst dann sei klar, ob sich überhaupt "Handlungsbedarf" ergebe. Grundsätzlich begrüße die Bundesregierung aber eine Schließung.
Der Verzicht auf Guantánamo, wo heute noch etwa 250Menschen einsitzen, gehörte zu den wichtigsten Wahlkampf-Versprechen Obamas. In einer seiner ersten Amtshandlungen legte er die laufenden Guantánamo-Verfahren bereits auf Eis.
Nach Auffassung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) müssen Deutschland und andere EU-Länder bereit sein, Häftlinge aufzunehmen, denen nach einer Freilassung in ihrer Heimat Folter droht. Insgesamt geht es dabei um etwa 50Fälle. Schäuble bekräftigte am Mittwoch jedoch, dass er allein die USA in der Pflicht sieht. Er kenne keinen Grund, weshalb jemand, der zu gefährlich für Amerika sei, in der EU aufgenommen werden müsse. Außerdem sei für diese Frage nicht der Außenminister zuständig, sondern die Innenminister von Bund und Ländern. "Das kann jeder im Aufenthaltsrecht nachlesen", sagte Schäuble.
Auch Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) unterstützte Schäuble. "Ich verstehe überhaupt nicht, warum Herr Steinmeier sich da vordrängelt. Deutschland hat Guantánamo nicht eingerichtet, nicht betrieben und nicht genutzt", so Bosbach gegenüber unserer Zeitung. Die Verantwortung liege allein bei den USA. "Unter den Gefangenen sind auch keine deutschen Staatsbürger oder Menschen, die einen Bezug zu Deutschland hätten, indem sie beispielsweise länger hier gelebt hätten. Und wenn irgendjemand unzuständig ist in dieser Frage, dann ist es der Außenminister", sagte Bosbach.
Unterstützung für ihre ablehnende Haltung bekamen Schäuble und Bosbach von FDP-Chef Guido Westerwelle. Allein die USA seien "verantwortlich für die Folgen ihres menschenrechtswidrigen Verhaltens", sagte Westerwelle.
Hingegen zeigten sich ebenso wie die SPD auch Grüne und Linke zu einer Aufnahme bereit. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sagte: "Zwei Häftlinge aufzunehmen, das halten wir schon aus."
In Union und FDP wurden allerdings auch Stimmen laut, die forderten, einzelne Fälle zumindest zu prüfen. So verlangte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine "individuelle Prüfung". ag/dpa