Analyse: Leutheusser gegen Schnarrenberger
Karlsruhe verhandelt über die Speicherung von Telefondaten. Die Justizministerin ist Klägerin und Beklagte in einer Person.
Düsseldorf. Auf dem Bolzplatz wird bei einer ungeraden Spielerzahl schon mal ganz pragmatisch entschieden: Ein Spieler kickt in der ersten Halbzeit für das eine, in der zweiten Halbzeit für das andere Team.
Das ist nicht ganz schön, weil der Wechselspieler nicht so richtig weiß, für welche Seite er sich nun besonders ins Zeug legen soll. Dieser Zielkonflikt ist aber nichts gegen die Zerreißprobe, vor der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am kommenden Dienstag stehen wird.
Da verhandelt Karlsruhe über die Vorratsdatenspeicherung. Die FDP-Politikerin steht auf der Klägerseite und will das Gesetz zu Fall bringen. Auf der anderen Seite vertritt sie als Justizministerin das von Schwarz-Rot geerbte Gesetz, müsste es in dieser Funktion eigentlich verteidigen. Das Dilemma lässt sich griffig formulieren: Leutheusser gegen Schnarrenberger.
Rückblende ins Jahr 1995: Da war Leutheusser-Schnarrenberger schon einmal Bundesjustizministerin. Damals erlebten wir einen der wenigen Rücktritte, bei denen eine Politikerin die Bühne verließ, weil sie die Sache über ihr Amt stellte. Sie wollte damals den Großen Lauschangriff nicht mittragen.
Damals wie heute bei der Vorratsdatenspeicherung ging und geht es um das Recht des Bürgers, vor staatlicher Kontrolle sicher zu sein. Doch dieses Mal bleibt die Ministerin im Amt. Und wagt den seltsamen Spagat.
Leutheusser-Schnarrenberger will nach Karlsruhe reisen. Sie komme aber nicht als Ministerin, sondern als Beschwerdeführerin, sagte sie gegenüber der "Tageszeitung". Sie wolle zwar zur Sache schweigen, aber "mit meiner Anwesenheit deutlich machen, dass ich zu meiner Rechtsposition stehe und die Bedeutung unterstreichen, die ich diesem Thema beimesse." Dennoch will sie nicht so weit gehen und im Gerichtssaal auf der Seite der Beschwerdeführer sitzen - "aus Respekt vor meinem jetzigen Amt" .
Da werden die Saaldiener in Karlsruhe ihr wohl einen Stuhl zwischen den Streitparteien aufstellen müssen. Auf dem kann sie dann den Vorträgen ihrer Lieblingsmannschaft lauschen, die die Vorratsdatenspeicherung zu Fall bringen will. Genauso wie den Worten des anderen Teams, dessen Spielführerin sie als Ministerin eigentlich ist. Es wird wohl ein Staatssekretär aus dem Justizministerium sein, der die heikle Aufgabe hat, gegen die Herzensangelegenheit seiner Chefin zu argumentieren.