Analyse: Neuer Milliardensegen, aber alter Schuldenberg
Jetzt könnte die Koalition die Steuern senken – gäbe es da nicht die Schuldenbremse.
Berlin. Wer angesichts des Milliarden-Segens für die Staatskassen einen besonders gut gelaunten Finanzminister erwartete, sah sich getäuscht. Da die neuesten Zahlen der Steuerschätzer noch nicht an die Journalisten verteilt waren, verschob Wolfgang Schäuble (CDU) die Pressekonferenz kurzerhand und drehte einfach wieder ab. Einige Minuten später sagte Deutschlands oberster Kassenwart dann unmissverständlich in die Mikrofone: Die Zahlen seien zwar erfreulich, aber es gebe weiter keine neuen Finanzspielräume.
Schäuble und das schwarz-gelbe Regierungsbündnis stecken trotz der schwindelerregenden Zahlen in einem Dilemma. Mit den rasant steigenden Einnahmen geht zwar die Neuverschuldung deutlich zurück. In den Reihen von Union und FDP werden aber gleichzeitig Forderungen nach Steuersenkungen immer lauter. So hatten es die Koalitionäre versprochen, dann aber angesichts der Haushaltslage auf spätere Jahre verschoben. Gebetsmühlenartig erklären Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Schäuble, dass es keinen Spielraum für Steuersenkungen gebe.
Die gute Nachricht zeichnete sich angesichts des Konjunkturbooms lange ab. Es ging nur noch um die Höhe. Was die Steuerpropheten nach dreitägigen Beratungen im Kurhaus Casino in Baden-Baden verkündeten, überraschte daher kaum: Auf 61 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen als geplant dürfen sich Bund, Länder und Kommunen bis 2012 freuen. Vergessen wird bei all dem, dass um Milliarden gestritten wird, die noch gar nicht in den Kassen sind. Ganz abgesehen davon, dass Deutschland auf einen Schuldenberg von zwei Billionen Euro zusteuert.
Nach den Krisen-Ausfällen kann der Fiskus aber erst einmal wieder mit mehr Geld planen. Weitere Mehreinnahmen werden aus dem Sparpaket erhofft. Ein zusätzliches Sonderplus könnte es geben, wenn sich Bern und Berlin über die Besteuerung der am deutschen Fiskus vorbei geschleusten Milliarden auf Schweizer Banken einigen.
In früheren Jahren weckten solche üppigen Steuerschätzer-Zahlen bei Politikern sofort Fantasien für neue Ausgabenprogramme. Damit ist spätestens seit der strengen Schuldenbremse im Grundgesetz Schluss. Schäuble muss das "Struktur-Defizit" in gleichmäßigen Schritten bis 2016 auf etwa zehn Milliarden Euro senken. Das ist die um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte Lücke zwischen dauerhaften Einnahmen und Ausgaben. Im Kern gibt die Schuldenbremse vor: Bei besserer Konjunktur mehr sparen und für schlechtere Zeiten vorsorgen.