Analyse: Sarkozys plötzliche Öffnung nach links

Im neuen Kabinett soll auch der politische Gegner sitzen. Nur ein Schachzug, um die Linke zu zermürben?

Paris. "Die Letzten werden als Erste bedient. Und als Belohnung für den Verrat dürfen sie sich noch ein Ministerium aussuchen." Die Bitterkeit dieses Sarkozy-Parteigängers, der sich selbst für Höheres berufen gefühlt hatte, hatte Gründe. Frankreichs neuer Präsident Nicolas Sarkozy, der sein Amt heute antritt, bastelt an einer Regierung, der auch sozialistische Politiker angehören sollen.

Die "beste Truppe für Frankreichs Zukunft" will Sarkozy nach eigenen Worten zusammenstellen. Ein "Kabinett der Öffnung" will er präsentieren. Schockwellen löste Sarkozys Absicht in den eigenen Reihen indes aus, wichtige Ministerien Spitzen-Sozialisten aus der Ära Mitterrand und Jospin zu überlassen. Kompetenz zählt mehr als Treue, hatte der Chef als Maßstab für die Regierungsbildung vorgegeben.

Sarkozys Öffnung nach links folgt dabei einem offensichtlichen Kalkül. "Eine Mehrheit, sie mag noch so groß sein, hat keine Chance, Reformen durchzusetzen, wenn sie sich abschottet", sagte der konservative Abgeordnete Dominique Paillé. Für Sarkozy bietet die Öffnung über die Lager hinweg zudem eine gute Gelegenheit, "sich als Mann der Nation und nicht als Vertreter einer Partei" zu präsentieren.

Mindestens zwei Linke, vielleicht auch noch jemand aus der Mitte - Sarkozys Parteigänger sehen ihre Felle vor allem auch deshalb davon schwimmen, weil das neue Kabinett nur 15 Ressortchefs zählen soll, deutlich weniger als bisher. Von den Linken sind zum Beispiel Bernard Kouchner und Hubert Vedrine als Minister im Gespräch. Frauen sollen überdies die Hälfte der Posten besetzen. Da bliebe, sollte es so kommen, für "Sarkos" Kumpel nicht mehr viel zu gewinnen. Das erklärt den Aufruhr der Enttäuschten. Als gesetzt gilt Francois Fillon als Premier, ein Gentleman-Farmer mit angeborener Zurückhaltung - das Gegenstück zum neuen, tatendurstigen Präsidenten.

Die Charme-Offensive nach links stürzte freilich auch die sozialistische Partei in schwere Turbulenzen. Parteichef Francois Hollande drohte den Überläufern mit Parteiausschluss. Dominique Strauss-Kahn sprach von "Verrätern". Sie hegen den Verdacht, dass Sarkozys Angebote nur ein Trick sind, um die demoralisierte Linke vor den nahen Parlamentswahlen weiter zu zermürben. Vorstellen will Sarkozy das Kabinett noch im Laufe der Woche.