Analyse: Wer bin ich? Namenlos zur neuen Stelle
Arbeitgeber testen anonyme Bewerbungen. Alter und Herkunft spielen keine Rolle mehr.
Berlin. Kein Foto, kein Name, kein Alter: Lebensläufe sollen künftig nur noch Auskunft geben über die Qualifikation eines Bewerbers, aber keine weiteren persönlichen Angaben preisgeben.
Fünf Großunternehmen, das Familienministerium und die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen testen seit Donnerstag in einem Pilotprojekt anonymisierte Bewerbungsverfahren.
Dadurch will die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) unter Leitung von Christine Lüders verhindern, dass Vorurteile oder Vorlieben von Personalchefs bei der Einstellung eine Rolle spielen.
Es könne nicht sein, dass Bewerber oft nur "aufgrund ihres Namens oder ihres Alters keine erste Chance erhalten. Entscheidend für die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber sollte nur die Qualifikation sein", erklärt Lüders. "Wir brauchen in Deutschland eine neue Bewerbungskultur."
Keine Angaben zu Geschlecht, Familienstand oder Herkunft: Frauen haben Lüders zufolge mehr Chancen auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, wenn sie die Kinder in der Bewerbung nicht erwähnen. Auch ältere Menschen beschwerten sich trotz erwiesener Qualifikation immer wieder, dass sie außen vor bleiben.
Gegner der anonymisierten Bewerbungsverfahren gibt es genug. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisiert, die Pläne seien schwer umsetzbar - sie erhöhten die Bürokratie. Der Mittelstand kritisiert an den "Bewerbungen aus der Blackbox".
"In den für den Mittelstand typischen Personenunternehmen spielen nicht nur die Qualifikation des Mitarbeiters eine Rolle, sondern mindestens ebenso die persönlichen Merkmale und die gemeinsame Wellenlänge des Bewerbers mit den vorhandenen Mitarbeitern", bemängelt Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft.
Lüders wiederspricht Befürchtungen aus der Wirtschaft, dass sich Diskriminierung von der Durchsicht der Unterlagen ins Vorstellungsgespräch verschiebt. "Ein deutscher Personalchef verwendet im Durchschnitt zwei bis vier Minuten für die Durchsicht einer Bewerbung. In dieser frühen Phase wollen wir verhindern, dass eingefahrene Selektionsmuster zum Tragen kommen", meint Lüders.