Mubarak will nicht nach Deutschland
Kairo/Washington/Berlin (dpa) - Knapp 30 Jahre im Amt sind ihm nicht genug: Der ägyptische Staatspräsident Husni Mubarak will nicht nach Deutschland, dem zur Diskussion gestellten Ausweg eines Krankenhausaufenthalts für den 82-Jährigen wird eine Absage erteilt.
Sein Vize Omar Suleiman sagte in Kairo Nein zu diesem Szenario - und sprach dabei von einem Angebot von Bundeskanzlerin Angela Merkel, was Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch umgehend zurückwies.
Auch am Tag 16 der Proteste forderten wieder Tausende Menschen auf dem Tahrir-Platz in Kairo den Rücktritt Mubaraks. Hunderte Demonstranten zogen vor das Parlamentsgebäude, in Charga im Süden des Landes kamen drei Menschen bei Zusammenstößen von Demonstranten mit Regierungskräften ums Leben. Washington zeigte sich unterdessen unzufrieden mit den bisherigen Zugeständnissen an die Demonstranten.
Auf die Frage eines Journalisten, was er zur Einladung Merkels zu einem Krankenhausaufenthalt Mubaraks in Deutschland meine, sagte Suleiman: „Wir danken Frau Merkel für dieses Angebot. Wir haben diese Einladung nicht angenommen, die wir als eine massive Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten betrachten.“ Regierungssprecher Seibert dementierte energisch die angeblichen Pläne für einen Klinikaufenthalt Mubaraks in Deutschland. „Nicht nur hat es keinerlei offizielle oder inoffizielle Anfragen bei der Bundesregierung gegeben in dieser Sache. Es hat auch keinerlei offizielle oder nicht offizielle Angebote gegeben“, sagte Seibert in Berlin.
Mit einem Krankenhausaufenthalt im Ausland wäre dem geschwächten Präsidenten ein vorzeitiger Abgang in Würde ermöglicht worden. Mubarak beharrt aber nach wie vor darauf, erst nach der nächsten regulären Präsidentschaftswahl im September aus dem Amt zu scheiden. Mubarak war im März des Vorjahres in der Universitätsklinik Heidelberg an der Gallenblase operiert worden.
Kritische Töne an die Adresse des bisherigen engen Verbündeten kamen aus Washington. Es sei klar, dass die bisherigen Schritte Kairos „erst noch die Minimalforderungen des ägyptischen Volkes erfüllen müssen“, sagte Regierungssprecher Robert Gibbs. Er verwies auf ein Telefonat von US-Vizepräsident Joe Biden mit seinem Kollegen Omar Suleiman, in dem Washington klargemacht habe, dass „ein ordentlicher Übergang jetzt zu beginnen hat und ohne Verzögerungen unmittelbare und unumkehrbare Fortschritte hervorbringen muss“.
Gibbs forderte die Regierung von Präsident Husni Mubarak zu „realen, konkreten Schritten“ auf. Der beste Weg dazu sei, wenn Suleiman Umfang und Breite der Gespräche mit denjenigen ausdehne, die derzeit nicht an der Macht seien.
Als Zugeständnis an die Opposition sollen nun in Ägypten mehrere Verfassungsartikel geändert werden. Ein von Mubarak eingesetztes Expertenkomitee will an sechs Artikeln des ägyptischen Grundgesetzes Änderungen vornehmen. Darunter seien auch zwei umstrittene Artikel, die eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten ermöglichen und die Kandidatur von Oppositionskandidaten erschweren. Weite Teile der Opposition, darunter die meisten Demonstranten der Protestbewegung, fordern allerdings eine völlig neue Verfassung.
Die Protestbewegung verlangt außer dem Rücktritt Mubaraks auch die Auflösung des Parlaments. Dieses war Ende vergangenen Jahres gewählt worden - bei niedriger Beteiligung und begleitet von Einschüchterung und Fälschungen. Mubaraks Regierungspartei NDP sicherte sich mehr als vier Fünftel der Sitze. Am Dienstag hatte sich erstmals nach seiner Verhaftung vor zwölf Tagen auch der von den Demonstranten gefeierte Internet-Aktivist Wael Ghonim wieder auf dem Tahrir-Platz gezeigt.
Die islamistische Muslimbruderschaft legte die Gespräche mit der ägyptischen Führung zunächst auf Eis. Zugleich erneuerte die Oppositionsgruppe ihre Forderung nach einem Rücktritt Mubaraks. „Wir können nur mit jemandem sprechen, der die Forderung des Volkes nach einem Ende des Regimes anerkennt“, sagte Essam al-Erian, ein Führer der Bewegung.
Bei Auseinandersetzungen zwischen Mubarak-Gegnern und Sicherheitskräften wurden in der Oasenstadt Charga drei Menschen getötet. Mehr als 100 Menschen seien in dem Gebiet etwa 500 Kilometer südlich von Kairo verletzt worden, berichtete der TV-Sender Al-Arabija. Die Polizei habe mit Tränengas und scharfer Munition auf Protestierer geschossen.
Die Vereinten Nationen und die USA drücken aufs Tempo. Der Wandel müsse kommen, „je früher, desto besser“, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon am Dienstag. Der Weltsicherheitsrat in New York befasst sich inzwischen mit dem Gedanken, angesichts der schweren Unruhen in Ägypten in mehrere Nahostländer zu reisen. Russlands UN-Botschafter Vitali Tschurkin schlug dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen vor, zu Gesprächen nach Kairo, Damaskus und Beirut zu fliegen. Seine US-Kollegin Susan Rice fügte am Mittwoch hinzu, dass der Rat sich zuvor auf klare Ziele für ein solches Unternehmen verständigen müsste.
Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant warnte, nichts zu überstürzen. Erst müsste geprüft werden, ob Moskaus Vorschlag zu dieser Zeit ratsam sei. „Wenn der Sicherheitsrat die Region aufsuchen sollte, müsste feststehen dass er damit zum Frieden im Nahen Osten beiträgt“. Kairo hatte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Mittwoch wegen des anhaltenden Widerstandes von Gegnern der Regierung Mubarak gebeten, derzeit von einem Besuch in Ägypten abzusehen.