Interview Bosbach im Asyl-Streit: „Kurskorrekturen werden nicht erhofft, sondern erwartet“
Herr Bosbach, ist das Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel gekommen, weil sie auch in der eigenen Partei weitgehend isoliert ist — oder wie kann die Union jetzt noch haltbar zusammenfinden?
Wolfgang Bosbach: Ein nahes Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel erwarte ich ebenso wenig wie ein Ende der Koalition oder einen Bruch der Gemeinschaft von CDU und CSU. Aber die Lage ist in der Tat schwierig, denn viele in der Union sind doch hin- und hergerissen, zwischen Sympathie für Angela Merkel und Respekt vor ihrer Arbeit einerseits und wachsendem Unverständnis über ihre Flüchtlingspolitik andererseits - zumal die damit verbundenen Probleme ständig grösser werden.
Wie bewerten Sie den Brandbrief der Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer an alle CDU-Mitglieder?
Bosbach: Dieser Brief ist ja gerade der Beleg dafür, dass sie die Stimmung an der Basis genau kennt, und dass sie auch weiß: So wie seit Herbst 2015 , kann es in der Flüchtlingspolitik nicht auf Dauer weiter gehen. Und Kurskorrekturen werden von vielen in der Partei nicht nur erhofft, sondern so schnell als möglich erwartet.
Kann es eine Option sein, dass die Union auseinandergeht und die Grünen in eine Regierung mit einsteigen, wie Robert Habeck das angedeutet hat?
Bosbach: Die CSU in der Opposition und an deren Stelle die Grünen in der Regierung? Um Gottes Willen. Das wäre weder für die CDU von Vorteil noch für das Land. Dann gäbe es zwar vermutlich tatsächlich Kurskorrekturen beim Thema Zuwanderung - allerdings in die falsche Richtung. Das würde der CDU ja noch größere Probleme bereiten!
Was schlagen Sie inhaltlich vor: Wie umgehen mit den Außengrenzen, wie umgehen aber auch mit Europa, wie diesbezüglich die Zukunft gestalten?
Bosbach: Wie wäre es denn einmal mit der konsequenten Anwendung des geltenden Rechts? Die Offenhaltung der Binnengrenzen setzt sichere EU Außengrenzen voraus. Also: Sicherstellen, dass es dabei bleibt, dass das Asylverfahren dort durchgeführt wird, wo der Antragsteller zuerst europäischen Boden betreten hat. Gleichmäßige Lastenverteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen und keine weitere Einreise von Personen mit völlig ungeklärter Identität und Nationalität. Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt.