London. Mit rasender Geschwindigkeit breitete sich die Regierungskrise in Großbritannien aus. Alleine innerhalb von 24 Stunden traten weitere drei Minister zurück, seit Beginn der Woche liefen Premierminister Gordon Brown damit fünf Minister davon. Zwar versuchte dieser am Freitag, mit einer eilig vorgezogenen Kabinettsumbildung wieder Oberwasser zu bekommen. Doch das Schiff sinkt scheinbar unaufhaltsam.
Nach der Rücktrittswelle sah sich der glücklose Premier mal wieder in der Defensive statt in der Offensive. Gebetsmühlenartig wiederholte er am Abend mit roten Augen und bleich, nicht aufgeben zu wollen. Er sei "der richtige Mann" für den Job. Viele haben aber genau daran seit langem Zweifel.
Auch die Kabinettsumbildung zeigte Browns Führungsschwäche. Neue Gesichter gab es kaum, stattdessen grassierte Rücktrittsfieber. Andere Kabinettsmitglieder verweigerten sich dagegen Browns Wunsch nach einer Versetzung. Hinzu kam eine Pleite für Browns Labour-Partei bei den Kommunalwahlen. Für viele Beobachter könnten nur möglichst rasche Neuwahlen das heillose Chaos lösen.
Selbst wenn Brown auch diese Krise als Premier überstehen wird, stellt sich die Frage: Wie lange wird er überleben? Und wann kommt die nächste Krise? Schon in der Nacht zu Montag warten auf Brown vermutlich weitere Hiobsbotschaften, wenn die Ergebnisse der Europawahl bekannt gegeben werden.
Doch die Wähler fordern noch mehr: Brown soll Neuwahlen ausrufen, heißt es. Das wollen mittlerweile auch die meisten Labour-Abgeordneten, die hoffen, ihren eigenen Sitz retten zu können, wenn sie Brown schnell aus dem Amt drängen und einen größeren Sympathieträger als Kandidaten aufstellen. Den Mut, Gordon Brown einen erlösenden Stoß zu verpassen, hat bis jetzt jedoch niemand aufgebracht.
Die 80 notwendigen Stimmen für ein Misstrauensvotum gegen den Regierungschef soll es allerdings bereits geben; die Rebellen hatten sich nach Medienberichten über eine anonyme Hotmail-Email in unabhängigen "Terrorzellen" organisiert, um ihre Identität zu schützen.