Kommentar Bundesregierung in der Krise: Warum die Ampel trotzdem bleibt

Meinung · Corona und Putins Krieg haben einem ohnehin fragilen Bündnis Kraft und Geld genommen. Trotzdem wird die Ampel weiterregieren. Ein Kommentar.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r-l), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Wer in diesen Tagen von der Gefahr spricht, die Bundesregierung vorzeitig scheitern zu sehen, hat gute Argumente. Inhaltlich bewegen sich SPD, Grüne und FDP immer weiter voneinander weg. Aktuell wegen des Bundeshaushalts für 2024. Die kaum vereinbaren Pole: noch eine Notlage und neue Kredite gegen ein neues Spardiktat und eine unangerührte Schuldenbremse. Erstes vertreten SPD und Grüne, Zweites die FDP. Niemand scheint mehr von Maximalpositionen abweichen zu wollen. Zu verletzt wirken die Protagonisten im steten Taumel dessen, was täglich neu auszufechten ist. Die Narben sind sichtbar. Und die Verletzungen wirken nach. Von einer Regierung, die sich im stillen Kämmerlein auf individuelle Abrüstung verständigt und mit einer gemeinsamen Idee herauskommt, ist die Ampel so weit entfernt wie nie. Es galt mal als Reiz dieses Bündnisses, Projekte von verschiedenen Enden her ganz neu zu denken, über gesellschaftspolitische Progressivität hinaus. Aber übrig geblieben ist davon nichts. Corona und Putins Krieg haben einem ohnehin fragilen Bündnis Kraft und Geld genommen, diese Enden mit „Wumms“ zusammenbinden zu können. Deshalb das Flickwerk.

Trotzdem wird die Ampel weiterregieren bis 2025. Sie hat keine andere Chance. Die SPD nicht, weil sie in Umfragen schlecht da steht und ihr Trumpf schon zur Bundestagswahl allein Olaf Scholz war. Sein Sieg steht als Sinnbild für den Durchhaltewillen eines Stoikers. Auch die FDP wird sich Knall und Abgang nicht leisten, es bliebe so schnell nicht viel von ihr übrig, wenn zur Neuwahl die Fünf-Prozent-Hürde überquert werden müsste. Und: Die Grünen mögen ihre Stammwählerschaft hinter sich wissen, aber kaum mehr neue Koalitionspartner für eine neue Regierung. Die erstarkte Union jedenfalls wird es absehbar nicht sein, wenn deren Fraktionschef Friedrich Merz ins Rennen ginge. Und: In der derzeitigen weltpolitischen Lage will niemand ein halbes Jahr Wahlkampf und Regierungsneubildung in Deutschland. Nicht eine Mehrheit im Bundestag, die es für ein konstruktives Misstrauensvotum bräuchte. Nicht Scholz selbst per Vertrauensfrage. Und auch kein Bundespräsident, der dann mitspielen müsste.