Bundestagswahl 2021 Warum Grüne und SPD auf Distanz zu linken Positionen gehen
Berlin · Seit ihre Umfragewerte sinken, betont die Union die Nähe von SPD und Grünen zur Linken. Während die zumindest zu linken Positionen auf Distanz gehen, geraten CDU und CSU immer tiefer in den Abwärtsstrudel.
Gut drei Wochen vor der Bundestagswahl befeuern die Umfragen Diskussionen über ein mögliches Linksbündnis. SPD und Grüne distanzieren sich zwar von Positionen der Linken, schließen eine Koalition aber weiter nicht ausdrücklich aus. So nannte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt im „Handelsblatt“ Schnittmengen in der Sozialpolitik, der Kindergrundsicherung und bei Mindestlöhnen, betonte aber zugleich Differenzen in der Außenpolitik und der Industriepolitik.
„Die Linkspartei muss nun entscheiden, ob sie regierungsfähig werden will und wie verlässlich sie dabei etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik ist“, betonte Göring-Eckardt. Von den neuen Parteivorsitzenden der Linken hätte sie erwartet, dass sie daran arbeiten. „Das ist bislang allerdings nicht passiert.“
Auch Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock blieb bei ihrer Linie, die Linke außenpolitisch als nicht regierungsfähig einzustufen. „Die nächste Bundesregierung muss endlich wieder eine aktive, pro-europäische Außenpolitik betreiben“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dafür müssten „alle Regierungsparteien voll und ganz hinter der europäischen außenpolitischen Verantwortung stehen“. Die Linke lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr aber ab und will die Nato durch ein kollektives Bündnis unter Einschluss Russlands ersetzen.
Ähnlich wie die Grünen agiert SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Er hatte Bedingungen für alle potenziellen Koalitionspartner formuliert, etwa ein klares Bekenntnis zur Mitgliedschaft in Nato und EU. Die Union verlangt ihm und den Grünen eine Absage an ein Bündnis mit der Linken ab, so wie sie es für sich selbst per Parteitagsbeschluss festgelegt hat. SPD und Grüne haben allerdings bereits vor Jahren beschlossen, keine „Ausschließeritis“ mehr zu betreiben und dies auch für die Linkspartei gelten zu lassen. Die SPD hat das 2013 per Parteitagsbeschluss fixiert.
Die jahrzehntealte Diskussion über ein Linksbündnis ist - befeuert von CDU und CSU - wieder hochgekocht, seit die SPD die Union in den Umfragen als stärkste Kraft überholt hat. Jetzt hängen die Sozialdemokraten CDU und CSU in weiteren Umfragen ab: In der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag des Nachrichtenmagazins „Focus“ kommen die Sozialdemokraten auf 25 Prozent, die Union auf 21 und die Grünen auf 19 Prozent.
Auch in einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend ist die SPD erstmals seit Februar 2017 wieder stärkste Kraft. Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, käme sie auf 25 Prozent, die Union auf 20 Prozent und die Grünen auf 16 Prozent. Die FDP läge bei 13, die AfD bei 12 Prozent. Die Linke käme auf 6 Prozent.
Gut jeder Dritte präferiert demnach im Moment einen politischen Wechsel in Berlin zugunsten eines SPD-geführten Bündnisses. Jeder Vierte unterstützt eine weitere unionsgeführte Regierung, jeder Achte eine unter Führung der Grünen. 28 Prozent äußerten keine Präferenz.
Bei einer Direktwahl des Kanzlers würden vier von zehn Befragten (43 Prozent) für den SPD-Kandidaten Olaf Scholz stimmen. Er liegt damit weiterhin deutlich vor dem Unions-Kandidaten Armin Laschet (16 Prozent) und Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock (12 Prozent). Fast 30 Prozent können oder wollen sich noch nicht entscheiden.
Im direkten Vergleich der Kanzlerkandidaten wird Scholz aktuell zudem als am sympathischsten und am glaubwürdigsten eingeschätzt. Er gilt zudem als der kompetenteste der drei Bewerber.
Grundsätzlich spiegeln Wahlumfragen allerdings nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang. Sie sind außerdem immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten.
Bleibt es bei dem Trend der letzten Umfragen, kämen nach der Bundestagswahl in dreieinhalb Wochen verschiedene Koalitionen in Frage, darunter auch Rot-Grün-Rot. Daneben könnte SPD-Kanzlerkandidat Scholz bei den derzeitigen Zahlen aber auch mit Grünen und FDP, mit Union und Grünen oder mit Union und FDP eine Regierung bilden. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet könnte es nach jetzigem Stand nur noch in einem Bund mit Grünen und FDP ins Amt schaffen. Auch ein Zweierbündnis von SPD und Grünen scheint nicht mehr völlig außer Reichweite, wenn eine oder beide Parteien noch etwas zulegen.
Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow plädierte ungeachtet der Kritik an seiner Partei für Rot-Grün-Rot. „Ich kämpfe für eine linke Regierung“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wer die Dinge, die wir in den Ländern angefangen haben, zu Ende führen will, der braucht eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Bund.“ Als ein Beispiel nannte er eine Begrenzung der Mieten.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, dessen Wort in der CDU Gewicht hat, verlangte absolute Geschlossenheit von der Union. „Wichtig ist, dass wir jetzt so klar, wie es irgend geht, alle beieinander sind, dass wir zusammen kämpfen und kein Zweifel aufkommen kann, dass wir alle hinter Armin Laschet stehen“, sagte der CDU-Vizevorsitzende der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Auch CSU-Chef Markus Söder habe das „sehr deutlich gemacht“.
In der Union gibt es hinter vorgehaltener Hand Kritik, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) engagiere sich im Wahlkampf nicht ausreichend für Laschet. Zuletzt hatte sich Merkel aber auf eine Journalistenfrage hin mit deutlichen Worten von Scholz distanziert und kritisiert, dass dieser eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausschließe. Laschet sagte, er empfinde es nicht so, dass sich Merkel zurückhalte.