Die FDP tankt neues Selbstbewusstsein

Parteichef Rösler und Spitzenkandidat Brüderle stimmen auf Wahlkampf ein. Kritiker Dirk Niebel wird abgestraft.

Berlin. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle muss den Schmerz lindern. Er lobt den Buhmann des Parteitages, Dirk Niebel, für seine Arbeit als Entwicklungshilfeminister. Er lobt den Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki, den Überraschungssieger bei den Wahlen, für dessen „unorthodoxe Weise“. Und schließlich ruft Brüderle in den Saal: „Sie können uns beschimpfen, verkloppen, bewerfen, aber sie können uns nicht beugen!“

Das wird das versöhnliche Ende eines Parteitages, der einer Achterbahnfahrt gleicht. Alles beginnt am Samstag nach Plan. Parteichef Philipp Rösler hält seine wohl beste Rede als Vorsitzender. „Da hat alles gepasst“, sagen viele der 600 Delegierten. Sie bestätigen ihn mit 85,7 Prozent für zwei Jahre im Amt. Freudentrunken fällt Rösler vielen um den Hals.

Dann schärfen die Liberalen ihr Profil: Europapolitisch bekräftigen sie den Konsolidierungskurs und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Mit überwältigender Mehrheit stimmen die Delegierten zudem dafür, eingetragene Lebenspartnerschaften mit der Ehe rechtlich gleichzustellen — wohl wissend, dass die Union anderes will. Trotz des Streits wird die Partei aber laut Brüderle nicht mit der Opposition für eine Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe stimmen.

Das neue Selbstbewusstsein, das die Partei tankt, ist überall zu spüren. Doch dann beginnt die Nacht der langen Messer. Anfänglich geht alles glatt: Der Nordrhein-Westfale Christian Lindner wird neuer Parteivize, wenn auch mit mageren 77 Prozent. Gewählt wird auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Doch entgegen allen Absprachen unterliegt die bisherige Vize Birgit Homburger, Landeschefin aus Baden-Württemberg, dem Sachsen Holger Zastrow. Einige Delegierte aus dem für die FDP so wichtigen Land sind entsetzt. Es folgen Krisengespräche auf offener Bühne.

Dann beginnt die Wahl der Beisitzer im Präsidium: Dirk Niebel, ebenfalls aus Baden-Württemberg, wird nicht gewählt. Die Delegierten nehmen ihm offenbar übel, wie offen er sich beim Dreikönigstreffen im Januar gegen die Parteispitze gestellt hat. Im ersten Wahlgang unterliegt er Gesundheitsminister Daniel Bahr und Wolfgang Kubicki. Der Fraktionschef aus Kiel besiegt schließlich Bahr, dank einer fulminanten Rede. Er bewerbe sich nicht, „um was zu werden, sondern um was zu bewirken“. Besonders gut kommt ein Scherz über seinen Studienfreund Peer Steinbrück an: „Was hat die arme Sau aus seinem Leben gemacht — er ist jetzt Kanzlerkandidat der SPD!“. Die Halle bebt.